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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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— das Geschwader ist in solch traurigem Zustand ... Nun ja, leben Sie wohl, Captain Aubrey«, schloß er mit dem Schimmer eines Lächelns. »Wie Sie sicherlich wissen, stehen Sie offiziell unter Arrest, also verhalten Sie sich bitte diskret.«
    Natürlich war er sich dessen bewußt gewesen, jedenfalls theoretisch. Aber es ausgesprochen zu hören gab ihm einen Stich, deshalb war er düsterster Stimmung, als er durch die überfüllten Gassen von Gibraltar schritt. In seinem Quartier löste er den Säbel vom Gurt, packte ihn ein und sandte ihn mit einem Begleitschreiben an den Sekretär des Admirals. Dann ging er spazieren und fühlte sich dabei seltsam nackt, wollte möglichst von niemandem erkannt werden.
    Die Offiziere der Hannibal und der Sophie waren ebenfalls auf Ehrenwort beurlaubt und nach Gibraltar entlassen worden. Dies bedeutete für sie die Verpflichtung, nichts zum Nachteil Frankreichs und Spaniens zu unternehmen, bis sie gegen französische Kriegsgefangene des gleichen Dienstrangs ausgetauscht wurden. Ihre Lebensumstände waren angenehmer, dennoch blieben sie praktisch Gefangene.
    In den nun folgenden Tagen fühlte sich Jack so miserabel wie noch nie. Und sehr einsam, obwohl er viel spazieren ging, manchmal mit Kapitän Ferris, manchmal mit seinen eigenen Fähnrichen und Kadetten oder mit Mr. Dalziel und dessen Hund. Er empfand es als befremdend und unnatürlich, in so entscheidenden Stunden vom hektischen Hafenbetrieb und dem Geschwaderdienst ausgeschlossen zu sein, während jeder gesunde Mann und viele andere, die eigentlich noch bettlägerig waren, mit Hochdruck an der Reparatur ihrer Schiffe arbeiteten. Unterhalb des Felsens wimmelte es wie in einem überfüllten Ameisenhaufen, wogegen hier oben auf dem von einer schütteren Grasnarbe bedeckten Plateau, zwischen der Sarazenenmauer und dem Turm über den Affenhöhlen, die Zeit mit Selbstvorwürfen, Zweifeln und Befürchtungen nur langsam verging; ihre Gespräche drehten sich ständig im Kreis. Jack hatte natürlich alle vorhandenen Ausgaben der Gazette durchgesehen, aber über die Sophie nichts darin gefunden, weder über ihren Triumph noch über ihre Niederlage. Die Tageszeitungen hatten ein oder zwei oberflächliche Meldungen gebracht und das Gentleman’s Magazine einen Absatz, in dem das Gefecht mit der Cacafuego als Überraschungsangriff dargestellt wurde. Das war schon alles. Insgesamt ein Dutzend Beförderungen standen in der Gazette , aber keine für ihn oder Pullings, und er hätte schwören können, daß die Nachricht von Sophies Kapitulation etwa zur selben Zeit in London eingetroffen war wie die über ihr Gefecht mit der Cacafuego. Wenn nicht sogar früher. Denn die Siegesmeldung (immer vorausgesetzt, daß sein Bericht von Harte verzögert und von ihm selbst mit dem Postsack auf neunzig Faden Tiefe vor Kap Roig versenkt worden war) konnte nur mit den Depeschen von Lord Keith eingehen, der sich weit hinten im östlichen Mittelmeer bei den Türken aufhielt. Deshalb würde es jetzt keine Beförderung für ihn geben, nicht bevor das Kriegsgericht getagt hatte — Gefangene wurden nicht befördert, das war undenkbar.
    Und was, wenn die Verhandlung schlecht für ihn ausging? Jacks Gewissen war alles andere als lupenrein. Falls Harte das so geplant hatte, war er damit teuflisch erfolgreich gewesen — und Jack ein Greenhorn erster Güte, ein Schafskopf par excellence. Aber war denn bei diesem jämmerlichen Hahnrei so viel Bosheit vorstellbar, so viel Raffinesse? Jack hätte diese Frage gern Stephen vorgelegt, denn der besaß Verstand. Und Jack war sich zum ersten Mal im Leben nicht sicher, ob er die Lage durchschaute, ob seine angeborene Intelligenz und sein Urteilsvermögen ausreichten. Der Admiral hatte ihm nicht gratuliert: Konnte das bedeuten, daß die offizielle Sicht der Dinge ... Aber Stephen hatte keinen Urlaub, der ihn dem Marinehospital ferngehalten hätte. Das Geschwader hatte über zweihundert Verwundete zu beklagen, und Stephen arbeitete Tag und Nacht.
    »Gehen Sie nur spazieren«, hatte er Jack geraten, »gehen Sie um Himmels willen tüchtig spazieren, und dabei möglichst viel bergauf. Wandern Sie von einem Ende des Felsens zum andern und wieder zurück, am besten mit leerem Magen. Sie sind viel zu beleibt, Ihr Fleisch wabbelt ja beim Gehen. Sie müssen an die hundert oder hundertzehn Kilo wiegen.«
    Jedenfalls schwitze ich wie eine Mähre beim Fohlen, dachte Jack, wischte sich das Gesicht und lockerte den Taillenbund, während er

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