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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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dürren Gras dieses sonnengedörrten Karsts, der ihr außer mit ein paar weißen Kalkbrocken, einem dieser seltenen, niedrig kriechenden Kapernbüsche und einer Zistrose, deren lateinischer Name Maturin im Augenblick entfallen war, keinerlei Deckung bot? Der Boden war noch dürrer und karger als sonst, denn der Winter 1799/1800 war ungewöhnlich trocken gewesen, auch der März hatte keinen Regen gebracht, und die Hitze war dieses Jahr sehr früh gekommen. Vorsichtig streckte Maturin einen Finger aus und strich der Kröte über die Kehle. Sie blies sich ein wenig auf, zog ihre gekreuzten Hände etwas zurück, blieb aber sonst still sitzen und hielt seinem Blick stand.
    Die Sonne stieg höher. Die Nacht war auch gegen Morgen nicht kalt gewesen, dennoch empfand Maturin die Wärme als wohltuend. Irgendwo in der Nähe mußten schwarze Steinschmätzer brüten, und hoch oben kreiste ein kleiner Raubvogel. In dem Busch, wo Maturin sein Wasser abschlug, hing die abgestreifte Haut einer Schlange, mit Lidern, die noch völlig intakt und überraschend kristallin waren.
    »Also, was ist nun von Captain Aubreys Einladung zu halten?« fragte sich Maturin laut. Er sprach in eine lichterfüllte Leere hinein, die der bewohnte Fleck unter ihm, das Karomuster seiner Felder dahinter und der Rahmen aus blaßgrauen, im Dunst verschwimmenden Hügeln noch unermeßlicher machten. »War's nur spontane Euphorie wegen seiner Beförderung? Aber er schien mir ein so angenehmer, einfallsreicher Gefährte zu sein.« Maturin lächelte in der Erinnerung. »Dennoch — was zählt das heute? Wir haben sehr viel gegessen und getrunken, vier Flaschen, wenn nicht sogar fünf. Und noch einen Affront ertrage ich nicht.« Er wälzte das Problem hin und her, verbot sich jedwedes Wunschdenken und kam schließlich zu dem Schluß, daß er — vorausgesetzt, er konnte seinen Rock halbwegs entfetten, wobei ihm der Staub ein aufsaugender oder doch wenigstens kaschierender Helfer war — Mr. Florey im Hospital aufsuchen und ihn ganz allgemein über das Berufsbild des Marinearztes befragen würde. Er wischte die Ameisen von seiner Perücke und stülpte sie über. Dann, als er zur Straße hinunterlief — vorbei an den magentaroten Speerspitzen der Gladiolen im jetzt höheren Gras —, bremste ihn etwas mitten im Schritt: die Erinnerung an jenen unseligen Namen.
    Wie hatte er ihn über Nacht so völlig vergessen können? Wie kam es, daß nicht sein erster Gedanke nach dem Erwachen James Dillon gegolten hatte?
    Und doch — es muß in Irland an die hundert Dillons geben, überlegte Maturin. Da bleibt es nicht aus, daß eine ganze Menge davon auch James heißt.
    »Christe ...« , summte James Dillon leise, während er in dem schwachen Licht, das sich durch den Lukendeckel der Stückpforte Nummer zwölf in den Rumpf der Burford stahl, die rotgoldenen Bartstoppeln von seiner Wange schabte. »Christe eleison. Kyrie ...« Er sang das Kyrie weniger aus Frömmigkeit denn als Beschwörung des Rasiermessers, damit es ihn nicht schnitt; wie so vielen Papisten war ihm nämlich manchmal nach einer kleinen Gotteslästerung. Dann aber ließ ihn das schwierige Plateau unter seiner Nase verstummen, und als er die Oberlippe saubergekratzt hatte, fand er die rechte Tonart nicht wieder. Außerdem war er innerlich viel zu beschäftigt, als daß er sich über eine flüchtige Neume den Kopf hätte zerbrechen können. Denn er mußte sich gleich bei seinem neuen Kommandanten melden, von dem in Zukunft sein Wohlbefinden und sein seelisches Gleichgewicht abhingen, ganz zu schweigen von seinem Ruf, seiner Karriere und seinen Beförderungschancen.
    Ein letztes Mal streichelte er die glänzende Glätte seiner Wangen, dann stürzte er in die Messe und brüllte nach einem Seesoldaten. »Bürste mir schnell den Rock ab, Curtis, ja? Meine Seekiste ist schon fertiggepackt, und auch der Knappsack mit den Büchern soll ins Boot. Ist der Kommandant an Deck?«
    »O nein, Sir, nicht dran zu denken«, antwortete der Seesoldat. »Gerade wird ihm erst das Frühstück gebracht: zwei harte Eier und ein weiches.«
    Das weiche Ei war für Miß Smith und sollte wohl ihre Kräfte nach den Anstrengungen der Nacht wiederherstellen, was Mr. Dillon und der Seesoldat genau wußten. Doch des letzteren vielsagender Blick prallte vom verschlossenen Gesicht seines Vorgesetzten wirkungslos ab. James Dillon preßte lediglich die Lippen fester zusammen, und als er in die überraschende Helligkeit des Achterdecks trat, wurde auf

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