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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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sah nicht mehr so aus, als amüsiere er sich ständig über einen heimlichen Witz. Nein, seine schnelle Bereitschaft zu lachen war völlig verschwunden — wie weggewischt. Jetzt hatte er das typisch irische Gesicht, ernst und humorlos. Sein Benehmen war zurückhaltend, aber sehr aufmerksam und höflich — nicht die Spur verprellt oder beleidigt.
    Sie verspeisten einen akzeptablen Steinbutt — akzeptabel, sobald erst die mehlige Hülle abgekratzt war —, und danach trug der Steward einen Schinken auf. Dieser Schinken konnte nur von einem Eber stammen, der seit langem an einer entstellenden Krankheit gelitten hatte, ein Schinken für Offiziere, die ihren Proviant aus eigener Tasche bezahlen mußten. Und nur ein Mann, der Erfahrung in morbider Anatomie besaß, hätte ihn appetitlich tranchieren können. Während Jack mit seinen Gastgeberpflichten rang und den Steward als Nichtskönner und Trantüte beschimpfte, wandte sich James mit dem höflichen Lächeln des Tischgenossen an Stephen und erkundigte sich: »Wäre es möglich, daß ich schon das Vergnügen Ihrer Bekanntschaft hatte, Sir? In Dublin vielleicht oder in Naas?«
    »Ich fürchte, diese Ehre ist mir noch nie zuteil geworden, Sir. Aber ich werde oft mit einem Vetter gleichen Namens verwechselt. Angeblich sehen wir uns täuschend ähnlich, was mich etwas beunruhigt, wie ich gestehen muß. Denn er sieht übel aus und hat diesen schlauen Zuträgerblick. Und in unserem Land verachtet man einen Zuträger der Obrigkeit mehr als in jedem anderen, stimmt s? Mit Fug und Recht, meiner Meinung nach. Obwohl es in Irland von Zuträgem ja nur so wimmelt.« Dies alles im Plauderton und laut genug, um trotz der Schlachtrufe ihres Gastgebers — »Langsam jetzt und sinnig ... Wenn er doch nicht so teuflisch zäh wäre ... Halt den Knochen fest, Killick, und vergiß deine Daumen« — von seinem Nachbarn verstanden zu werden.
    »Da denke ich genau wie Sie«, antwortete Jack, und sein Blick verriet schnelles Begreifen. »Trinken Sie ein Glas Wein mit mir, Sir? «
    »Von Herzen gern.«
    Sie prosteten einander mit der Mischung aus Schlehensaft, Essig und Bleizucker zu, die man Jack als Wein angedreht hatte, und beschäftigten sich danach, der eine mit beruflichem Interesse, der andere mit beruflichem Stoizismus, mit dem entstellten Schinken.
    Der Portwein am Schluß war jedoch respektabel, und als der Tisch abgeräumt war, kam in der Kajüte eine entspanntere Stimmung auf.
    »Bitte erzählen Sie uns doch von dem Gefecht, in das Sie mit Ihrer Dart verwickelt waren.« Jack füllte Dillons Glas nach. »Ich habe so viele unterschiedliche Berichte darüber gehört...«
    »O ja, das interessiert mich sehr«, sprang Stephen ihm bei. »Tun Sie uns den Gefallen.«
    »Ach, das war keine große Sache«, begann James Dillon. »Wir hatten es nur mit einem Haufen widerlicher Piraten zu tun — lediglich ein Scharmützel unter kleinen Schiffen. Ich befehligte vorübergehend einen von der Navy gecharterten leichten Kutter — nur ein Mast mit Gaffelsegel —, eben die Dart.« Stephen verbeugte sich dankend. »Sie war mit acht Vierpfündern ganz anständig bewaffnet. Leider hatte ich nur dreizehn Mann und einen Schiffsjungen zu ihrer Bedienung. Wir bekamen Befehl, einen Kurier des Königs mit zehntausend Pfund in Gold nach Malta zu bringen. Und Kapitän Dockray bat mich, seine Frau und deren Schwester mitzunehmen.«
    »Ich kenne ihn noch als Ersten Offizier auf der Thunderer «, erinnerte sich Jack. »Ein herzensguter Mann.«
    »Ja, das war er.« James schüttelte traurig den Kopf. »Tja, wir liefen also mit einem stetigen leichten Südwestwind aus, wendeten einmal siebzehn Meilen westlich von Egadi und segelten danach etwas westlicher als Süd. Nach Sonnenuntergang fing es an zu blasen. Weil ich die Damen an Bord hatte und unterbemannt war, suchte ich Schutz in Lee von Pantelleria. In der Nacht ließen Wind und Seegang nach, und da standen wir nun um halb fünf am nächsten Morgen. Ich rasierte mich gerade, das weiß ich noch, weil ich mich am Kinn schnitt ...«
    »Ha!« rief Stephen mit Genugtuung.
    »Da meldete der Ausguck ein fremdes Segel, und ich stürzte an Deck.«
    »Kann ich mir denken«, lachte Jack.
    »Es waren drei französische Freibeuter mit Lateinerrigg. Das Licht reichte gerade, um sie im Glas zu erkennen, ihre Rümpfe standen schon über der Kimm. Die zwei vordersten waren mit je einem langen Sechspfünder und vier Drehbassen am Bug bewaffnet. Ich kannte sie, denn wir waren

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