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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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»außerdem ist mir ein idiotischer Fauxpas unterlaufen ... Ich las die Namen auf der Liste vor — Flaherty, Lynch, Sullivan, Michael Kelly, Joseph Kelly, Sheridan und Aloysius Burke, alle zwangsrekrutiert aus Liverpool —, und dann ritt mich der Teufel. Ich sagte: ›Was, noch mehr von diesen verdammten irischen Papisten? Wenn das so weitergeht, besteht bald die halbe Steuerbordwache aus Iren, die macht dann die Segel mit Rosenkränzen fest.‹ Das war als Scherz gemeint, verstehen Sie? Aber sofort trat diese eisige Stille ein, und ich hätte mich ohrfeigen können. James Dillon ist doch Ire, und er mußte meine Bemerkung natürlich als nationale Herabsetzung empfinden. Dabei lag mir nichts ferner als das. Jeder Chauvinismus ist mir fremd, ich hasse nur einfach die Papisten, das ist alles. Um ihnen das klarzumachen, fügte ich noch ein paar Spitzfindigkeiten gegen den Papst hinzu, aber wahrscheinlich waren die nicht so witzig, wie ich dachte, denn niemand lachte. Keinerlei Reaktion.«
    »Hassen Sie Katholiken wirklich so sehr?« fragte Stephen.
    »Ja, genau wie den Papierkram. Aber die Papisten sind noch schlimmer — mit ihrer Beichte und so, Sie wissen schon. Außerdem wollten sie unser Parlament in die Luft jagen.« Jack schüttelte den Kopf. »Mein Gott, was haben wir am fünften November alles angestellt! Eine meiner besten Freundinnen — ich kann Ihnen gar nicht sagen, wieviel sie für mich getan hat — war so außer sich, als ihre Mutter einen Papisten heiratete, daß sie sofort ein Studium der Mathematik und des Hebräischen begann. Dabei war sie das hübscheste Mädchen im ganzen Umkreis. Hat mir Navigation beigebracht, heller Kopf, der sie ist. Über die Papisten hat sie mich gründlich aufgeklärt. Das meiste davon hab ich inzwischen vergessen, jedenfalls sind sie ein ganz verderbter Haufen. Man kann ihnen nicht trauen. Denken Sie nur an die Revolte, die sie kürzlich angezettelt haben.«
    »Aber, mein Bester, von den United Irishmen waren die meisten Protestanten — und ihre Anführer alle. Wolfe Tone und Napper Tandy waren Protestanten. Die Emmets, die O’Connors, Simon Butler, Hamilton Rowan, Lord Edward Fitzgerald — alles Protestanten. Sinn der ganzen Bewegung war es, protestantische, katholische und presbyterianische Iren unter einer Idee zu vereinen. Die Initiative dazu ging von den Protestanten aus.«
    »Tatsächlich? Na ja, Sie merken schon, ich verstehe nicht viel davon — dachte, es wären die Papisten gewesen. Damals war ich in Westindien stationiert. Aber nach dieser Unmenge Papierkram steigt mir die Galle hoch, wenn ich an die Papisten denke. Dann verabscheue ich alle, auch die Protestanten, die Anabaptisten und die Methodisten. Und die Juden. Ist mir verdammt egal, wen ich hasse. Aber was mich wirklich quält: daß ich James Dillon derart auf die Füße getreten habe. Wie ich schon sagte, nichts ist wichtiger als angenehme Bordgenossen. Er macht jetzt eine schwere Zeit durch, muß gleichzeitig die Aufgaben eines Ersten Offiziers und eines Wachführers bewältigen, alles auf einem neuen Schiff — mit unbekannter Besatzung — und einem fremden Kommandanten ... Ich hatte mir wirklich fest vorgenommen, ihm verständnisvoll zu begegnen. Ohne ein gutes Verhältnis zwischen den Offizieren gibt es kein glückliches Schiff. Und nur ein glückliches Schiff ist ein kampfstarkes Schiff — zu diesem Punkt sollten Sie mal Nelson hören. Das ist die reine Wahrheit, glauben Sie's mir. Er wird mit uns essen, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie für mich ... Ah, Mr. Dilion, da sind Sie ja. Leisten Sie uns doch Gesellschaft bei einem Glas Grog.«
    Teils aus medizinischen Gründen, teils wegen seiner angeborenen Tiefsinnigkeit war es Stephen schon seit langem zur Gewohnheit geworden, bei Tisch nicht zu reden. Nun beobachtete er, aus dem schützenden Kokon seines Schweigens heraus, James Dillon mit gespannter Aufmerksamkeit. Sein schmaler Kopf hatte immer noch dieselbe stolze Haltung, dasselbe rotblonde Haar und die grünen Augen; auch an seinen hellen Teint und an die kariösen Zähne — inzwischen waren es einige mehr geworden — erinnerte er sich. Ebenso an sein gewandtes Benehmen, das auf ein gutes Elternhaus schließen ließ. Und obwohl er schlank und nur mittelgroß war, schien er das Zimmer zu beherrschen — mehr als der mindestens neunzig Kilo schwere Jack Aubrey. Was dem neuen James Dillon vor allem fehlte, war dieser Ausdruck, als würde er gleich in Gelächter ausbrechen; er

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