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Kurs auf Spaniens Kueste

Kurs auf Spaniens Kueste

Titel: Kurs auf Spaniens Kueste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick O'Brian
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Sonnenhöhe messen und die Schiffsposition auf Zettel schreiben, die vom Wachtposten eingesammelt und beim Kommandanten abgeliefert wurden. Der alte Kommandant, Kapitän Allen, war allerdings dafür bekannt gewesen, daß er diese Zettel ungelesen aus dem Fenster warf.
    Jack war bisher mit dem Einschleifen der Besatzung zu beschäftigt gewesen, um der Ausbildung seiner Offiziersanwärter viel Aufmerksamkeit widmen zu können. Immerhin hatte er sich die Positionszettel des Vortages angesehen. In verdächtiger Übereinstimmung gaben sie alle die Breite mit 39°21'N an, was man gelten lassen konnte; doch genauso einig waren sie sich in der Länge, und auf dieser Position hätte die Sophie nur stehen können, wenn sie eine Furche von siebenunddreißig Meilen in den Gebirgszug hinter Valencia gegraben hätte.
    »Was fällt Ihnen ein, mir diesen Unsinn zu schicken?« fuhr Jack die versammelten Übeltäter an.
    Aber das war natürlich eine rhetorische Frage. Beantwortet wurde sie ebensowenig wie die meisten anderen, die er ihnen an den Kopf warf. Immerhin stimmten die jungen Herren mit ihm darin überein, daß sie nicht zu ihrem Vergnügen an Bord waren, auch nicht um ihr männliches Aussehen zu verschönern, sondern vielmehr zum Zwecke der Berufsausbildung; daß ihre Berichtsbücher (die sie alsbald holten) weder ordentlich noch ausführlich, noch auf dem neuesten Stand waren und daß die Bordkatze sie leserlicher geschrieben hätte; daß sie in Zukunft Mr. Marshalls Beobachtungen und Berechnungen die höchste Aufmerksamkeit widmen und täglich mit ihm gemeinsam die Karteneintragungen vornehmen würden; und daß niemand zum Offizier oder gar zum Kommandanten taugte (Gott, vergib mir die Lüge, dachte Jack insgeheim), der nicht jederzeit den Standort seines Schiffes auf die Bogenminute — nein, auf dreißig Bogensekunden — genau angeben könne. Schließlich verfugte er, daß sie ihm hinfort ihre ordentlich geführten und sauber geschriebenen Berichtsbücher jeden Sonntag unaufgefordert vorzulegen hatten.
    »Ihr könnt doch leserlich schreiben, nehme ich an? Andernfalls müßt ihr bei meinem Schreiber Unterricht nehmen.«
    Oh, sie hofften doch, Sir, sie waren sogar dessen sicher. Ganz gewiß würden sie ihr Bestes geben.
    Aber Jack schien nicht restlos überzeugt, sondern ersuchte sie, sich auf die Bank dort zu setzen, sich diese Federn und Papiere da vorzunehmen und ihm jenes Buch vom Regal zu bringen, das sich hervorragend dazu eigne, ihnen auszugsweise vorgelesen und diktiert zu werden.
    So kam es, daß Stephen in der Stille seines Krankenreviers beim Nachdenken über den Fall des Patienten, dessen Puls so schwach und ungleichmäßig unter seinen Fingern klopfte, stockte und aufhorchte, weil Jacks Stimme unnatürlich langsam, ernst und drohend durch den Windsack zu ihm herabscholl: »Das Achterdeck eines Kriegsschiffes kann mit Fug und Recht als die Charakterschule der Nation bezeichnet werden, jedenfalls für einen großen Teil unserer Jugend. Hier erwirbt sie einen Sinn für Disziplin und wird bis ins Detail unterwiesen im faszinierenden Wissen der Marine. Pünktlichkeit, Sauberkeit, Fleiß und Zuverlässigkeit werden regelmäßig eingeübt. Die Jugend wird gewöhnt an Pflicht, Verantwortung und sogar an Selbstverleugnung, was sich im späteren Leben mit Sicherheit als höchst nützlich erweist. Indem sie gehorchen lernt, lernt sie in der Folge auch befehlen.«
    Hört, hört, sagte sich Stephen und wandte dann seine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder der armen, ausgezehrten, hasenschartigen Kreatur zu, die vor ihm in der Hängematte lag, einem Quotenmann aus Südengland, jetzt zur Steuerbordwache eingeteilt. »Wie alt bist du ungefähr, Cheslin?« fragte er.
    »Ach, das weiß ich selber nicht«, antwortete Cheslin mit einem Anflug von Ungeduld, trotz seiner Apathie. »Ich schätze, so um die Dreißig.« Eine lange Pause. »Ich war fünfzehn, als mein alter Vater starb. Und ich könnte die Ernten bis dahin rückwärts zählen, wenn ich mich anstrenge. Aber ich kann mich nicht anstrengen, Sir.«
    »Nein. Hör mir zu, Cheslin: Du wirst sehr krank werden, wenn du weiterhin die Nahrung verweigerst. Ich bestelle dir nachher eine Suppe, die mußt du aufessen.«
    »Danke, Sir, vielen Dank. Aber mein Fleisch hat einfach keine Lust mehr. Und die werden sowieso verhindern, daß ich die Suppe kriege.«
    »Warum hast du ihnen bloß gesagt, was du bist?«
    Cheslin schwieg eine Weile und starrte dumpf vor sich hin. »Weil ich besoffen

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