Kurs Sol-System
Personalkantine. Schreiende Kalosaren, die sich vor dem Wasser in Sicherheit bringen wollten, liefen ihnen in die gestreuten Gravitonsalven.
Acht Minuten später war alles vorbei.
*
Die Kombüsenabteilung glich einer Abraumhalde. Ob Großküche, Bäckerei, Gewächshaus oder Kühlhäuser – Boden, Tische, Regale und Herde waren vollständig zugemüllt: zerschlagene Gläser mit Eingemachtem, leere Konservendosen, Verpackungsreste, Fäkalien, abgenagte Knochen, zerschlagene Saftkanister, zerbrochenes Geschirr und so weiter und so weiter.
Die Gefrierkammern hatten die Eingeborenen merkwürdigerweise nicht angetastet. Offenbar konnten sie mit dem tiefgefrorenen Fleisch und Gemüse nichts anfangen. Das meiste aber war aufgetaut, weil die Luken offenstanden.
Yaku hing in einem der Sessel am Tisch der Personalkantine. Durch die offene Luke hörte er das Geschrei der Eingeborenen aus der Großküche und dem Vorraum. Unter Nigeryans Aufsicht transportierten Leute der RHEINGOLD die Eingeborenen in Zehnergruppen zu dem Beiboothangar, wo man die Notrutsche an den Schottklappen befestigt hatte. Und in Zehnergruppen wurden sie auf die Rutsche gestoßen und glitten von Bord ins Gras der Lichtung hinab, auf der die RHEINGOLD zuletzt gelandet war.
Sechs befreite Geiseln brachten Sarah Calbury und Torst Levian in diesen Minuten in die Klinikabteilung. Unter ihnen Sibyrian Cludwich. Von drei Geiseln fehlte jede Spur oder doch fast jede Spur. Einer der Kalosarenkrieger, die sie in den Kühlhäusern überwältigt hatten, trug eine Bordkombi der Flotte mit dem Namensschild, das ihren ehemaligen Besitzer verriet: Roderich Stein, Bergens Erster Kybernetiker.
»Habt ihr was Gutes zu trinken an Bord?« Yaku richtete die Frage an Carlos Rasmuth und Dragurowka Sem. Sie, Merican Bergen und Venus Tigern hatten sich ebenfalls an den Tischen der Personalkantine niedergelassen. Alle waren erschöpft. Rasmuth runzelte die Stirn, die Sem sah ihn an, als verstünde sie nicht. »Ich meine, irgendwo hier in den Vorratsräumen«, sagte der Weißhaarige von Doxa IV.
»Sicher doch«, sagte Rasmuth. »Drei oder vier Safttanks haben sie verschont. Dann gibt es noch tonnenweise gefrorene Ziegen- und Kuhmilch. Und natürlich bestes Quellwasser von Hawaii-Novum.«
»O ja!« Ein Leuchten ging über Venus' Gesicht. »Das hätte ich gern.«
»Kein Problem.« Carlos Rasmuth stand auf, lächelte und verließ die Kantine. An der Tür begegnete er einem kleinen, zierlichen Mann mit einem Raben auf der Schulter. Sie wechselten ein paar Worte, bevor Rasmuth sich auf den Weg zum Wassertank machte und der Kleine mit dem Raben den Raum betrat. Es war Suboberst Oko Oshyan, der Chef der Beibootflotte und der Hangars. Yaku beäugte ihn und Moses mißmutig.
»Gratuliere!« rief Oshyan. »Das habt ihr gut hingekriegt!« Sein großer Kopf paßte irgendwie nicht zu seinem schmächtigem Körper. »Und wir zwei auch, nicht wahr, Moses?« Er hatte dickes, glänzendes Schwarzhaar, glatt und kurz, und sehr schmale Augen. »Der Vogel ist in Ordnung!« Er deutete auf Moses, während er neben der Sem Platz nahm. »Was soll er kosten, Tellim? Ich zahle jeden Preis!«
Eine geradezu ungeheuerliche Frage. Yaku ignorierte sie und den Kleinen einfach. »Ich meine – etwas wirklich Gutes zu trinken. Verstehen Sie, Dragurowka? Wasser und Milch interessieren mich im Augenblick nicht. Ich bin fertig, mir ist kotzübel, ich brauche was Vernünftiges.«
»Was Vernünftiges?« Die Sem tat begriffsstutzig. »Was wirklich Gutes? Tut mir leid, Herr Tellim – ich kapiere irgendwie nicht.«
»Er meint etwas Alkoholisches«, sagte Venus.
»Sie wissen doch, daß Alkohol in der Republik verboten ist, Yakubar Tellim!« Die Sem tat entrüstet.
»Genau wie das Leben jenseits der Siebzig, ich weiß schon.« Yaku schloß kurz das Auge und nickte schicksalsergeben. »Ich war schließlich auch mal bei der Flotte. Und die Einladung zum Ruhepark habe ich auch bekommen. Dazu gab es komischerweise eine Flasche Cognac. Richtig verboten ist Alkohol in der Republik also nicht. So richtig streng verboten, meine ich.«
Oshyan und die Sem sperrten Augen und Münder auf. »Sie haben die Einladung in den Ruhepark …?« Der Zweiten Offizierin der RHEINGOLD verschlug es die Sprache.
»Und sind nicht hingegangen?« sagte Oshyan. »Sind einfach nicht hingegangen?« Seine Mimik schwankte zwischen Empörung und Bewunderung. »Das glaube ich nicht …«
»Das ist wahr«, sagte Venus. »Und das ist
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