Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
fragte er schon: »Was ist los, Chef?«
»Ein weiterer Mord«, antwortete Erik und riss so hastig die Haustür auf, dass sie an die Wand des Hausflurs prallte und ein wenig Putz herabrieselte. »Im Squashcenter!«
D r. Hillmot fand nichts dabei, dass die Schwiegermutter von Kriminalhauptkommissar Wolf ihm bei der Arbeit Gesellschaft leistete. Wer für ihn einmal Antipasti eingelegt hatte, den würde er nicht mal vom Öffnen einer Leiche ausschließen, wenn er denn unbedingt dabeisein wollte. Enno Mierendorf und Rudi Engdahl waren augenscheinlich anderer Ansicht, wagten aber nicht, Mamma Carlotta den Vorschlag zu machen, sich wieder zu den anderen Mitgliedern von »Verraten und verkauft« zu begeben. Vetterich und seine Mitarbeiter schien ihre Anwesenheit nicht zu kümmern, solange sie niemanden bei der Arbeit behinderte oder im Wege herumstand.
Mamma Carlotta war sich des Privilegs bewusst und auch, dass es damit schlagartig vorbei sein würde, sobald Erik auftauchte. Bis dahin aber wollte sie sich all das Neue einverleiben, die Nähe zu dem schrecklichen Verbrechen tapfer ertragen und aufsaugen, was sie zu sehen bekam, wobei sie die Leiche wohlweislich außer Acht ließ. Sie formulierte sogar in ihrem Kopf bereits die Worte, die demnächst auf der Piazza von Panidomino von Mund zu Mund gehen würden. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Sila Simoni auch in ihrem Dorf bekannt war! Mamma Carlotta selbst hatte zwar vorher nie von ihr gehört, aber es war nicht ausgeschlossen, dass es Männer gab, die sich heimlich Filme mit Sila Simoni ansahen, und Frauen, die versuchten, sie davon abzuhalten. Die meisten würden wohl nicht zugeben, den Pornostar zu kennen, aber wenn über ihren gewaltsamen Tod auch in den italienischen Zeitungen berichtet wurde, musste niemand mit seinem Interesse hinter dem Berg halten. Und sie, Carlotta Capella, hatte den leblosen Körper dieser Frau gesehen! Wenn auch nur mit einem allerersten, noch dazu von jähem Entsetzen getrübten Blick, bevor sie sich schaudernd abgewandt hatte. Nun, während sie das Gespräch mit Dr. Hillmot führte, blickte sie konsequent in eine andere Richtung. Aber immerhin, sie war dabei! Zwar flüsterte sie ein unhörbares Gebet zur Vergebung in sich hinein, damit ihr die Sensationslust verziehen wurde, und schärfte sich ein, so diskret und verschwiegen wie nötig mit ihren Kenntnissen umzugehen, aber gleichzeitig redete sie sich auch ein, dass der Fall, sobald er aufgeklärt war, nicht mehr vertraulich behandelt werden müsse.
Sie war nach dem Vorsitzenden der Bürgerinitiative die Einzige gewesen, die beherzt zugegriffen hatte. Während die anderen ängstlich vor der Tür der Sauna stehen geblieben waren, hatte sie Willi Steensen dabei geholfen, den schräg gestellten Besenstiel zu entfernen, der die Tür der Saunakabine versperrt hatte. Die Kraftanstrengung, die nötig gewesen war, das entsetzliche Bild, das sich ihr geboten hatte, das grauenhafte Geräusch, als ihnen der leblose Körper entgegengefallen war … das alles würde in Umbrien Gesprächsstoff für viele Wochen geben. Natürlich würde sie immer wieder hervorstöhnen, wie schwer es ihr fiele, darüber zu reden, und dass sie es nur über sich brächte, weil sie ständig danach gefragt wurde, aber dann würde jemand mit dem klugen Hinweis kommen, dass man ein so schreckliches Erlebnis am besten verarbeitete, indem man es sich von der Seele redete. Danach würde niemand mehr an Sensationslust denken, wenn Carlotta Capella sich in die Einzelheiten dieses Mordfalls erging.
»Kreislaufzusammenbruch«, sagte Dr. Hillmot, der zu glauben schien, dass Mamma Carlotta an den Einzelheiten des Todes von Sila Simoni interessiert sei. »Vorübergehende Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, Störung der Herzkreislauffunktion, dann plötzlicher Bewusstseinsverlust. Synkope!« Als Mamma Carlotta keinen Laut der Zustimmung von sich gab, ergänzte er: »Ohnmacht!«
Dr. Hillmot erhob sich mit knirschenden Gelenken und unter heftigem Stöhnen. Als er seinen übergewichtigen Körper in die Höhe gewuchtet hatte, musste er sich erst einmal abstützen und seinen stoßweisen Atem beruhigen, der alle Anwesenden mit Besorgnis erfüllte. Dann aber hatte er sich erholt und fuhr fort: »Starke Hitze führt irgendwann zum Hitzestau und dann zum Hitzschlag. Schwindelgefühle, Sehstörungen, extremes Durstgefühl … und schließlich Exitus.«
Dr. Hillmot betrachtete die Leiche ein letztes Mal ausgiebig, und Mamma Carlotta
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