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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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»Zufall! Eigentlich wollte ich nach Ihnen rufen, aber Sie hatten es so eilig, als wären Sie auf der Flucht.«
    Wiebke betrachtete die Pakete mit den Zahnstochern auf dem Regal so interessiert, als hätte sie noch nie etwas in dieser Art gesehen. »Sie müssen sich irren. Gestern Vormittag war ich in Westerland. Shoppen in der Friedrichstraße! Schicke Schuhe habe ich gefunden.«
    Der Zeiger auf der Gefühlsskala fuhr zurück, wollte sich in der Mitte einpendeln, rutschte dann aber doch weiter herab. Wiebke log. Und das in dieser Notgemeinschaft, in der eine die andere stützen musste! Ausgerechnet in dieser Bredouille, in diesem Gefängnis, in dem neben ihnen nur die Wahrheit Platz hatte, belog sie ihre Leidensgefährtin. Diese Erkenntnis war so hart, dass Mamma Carlotta die Geräusche überhörte, die plötzlich von außen in den Vorratsraum drangen.
    Wiebke wurde als Erste darauf aufmerksam. Sie sprang auf und legte das Ohr an die Tür. »Ich glaube, da kommt jemand.«
    »Fietje Tiensch?« Auch Mamma Carlotta erhob sich, öffnete schon den Mund, um nach Fietje zu rufen … da winkte Wiebke ab und legte den Finger auf die Lippen.
    Die Schritte, die zu hören waren, konnten nicht von Fietje stammen.

E rik stand am Fenster und blickte hinaus. »Der Sturm nimmt zu. Im Radio habe ich gehört, dass es eine Sturmflut geben könnte.«
    Sören kippelte mit seinem Stuhl, sah an Erik vorbei und schien ihm gar nicht zugehört zu haben. »Ich wüsste jetzt gerne mal, Chef, wie viele Mörder wir eigentlich suchen! Einen oder zwei? Außer Matilda Pütz, meine ich. Der Mord an Ludo ist ja zum Glück aufgeklärt.«
    Erik beobachtete eine Radfahrerin, die von der Keitumer Landstraße in die Kjeirstraße einbiegen wollte und von einer heftigen Windbö auf die Straße gedrängt wurde, direkt vor ein Auto, das vor der roten Ampel wartete. Sie sprang vom Rad, ließ es fallen und sah sich verwirrt um, ehe sie das Fahrrad wieder aufnahm und auf den Gehweg schob.
    »Bei Sila Simoni haben wir ein Motiv«, sagte er. »Bei Dennis Happe fehlt es uns noch immer.«
    »Vielleicht ist das Bistro das Motiv? Sie müssen Frau Matteuer fragen, ob Dennis Happe befugt war, über die Vergabe des Bistros zu entscheiden.«
    Erik nickte, wollte antworten … da öffnete sich die Tür, und Kommissar Vetterich trat ein. »Moin! Die Spuren sind verglichen, Wolf! Positives Ergebnis!«
    Sören, der bis zu diesem Moment sein Denkvermögen auf zwei Beinen seines Stuhls trainiert hatte, bemühte sich nun um festen Stand. »Ich dachte, das Ergebnis von der Untersuchung des Zahnstochers kommt erst morgen? Stehen sonst noch irgendwelche Ergebnisse aus?«, fragte er verwirrt.
    Als sein Chef nicht antwortete, fiel ihm auf, wie verlegen Erik war. »Sie haben …? Ne, oder?«
    Vetterich sah verwundert von einem zum anderen, beschloss dann aber, dass ihn die Differenzen zwischen den beiden nichts angingen. »Aus der Kaffeetasse, die Sie mir gebracht haben, hat dieselbe Person getrunken, die den Stein in der Hand hatte, mit dem das Fenster des Baubüros zerschlagen wurde.«
    »Ganz sicher?«, fragte Erik.
    »Hundertpro!« Vetterich tippte an den Rand einer Dienstmütze, die er nicht trug, und verließ das Büro wieder.
    Sören sah seinen Chef mit offenem Mund an. »Sie haben tatsächlich die DNA von Wiebke Reimers überprüfen lassen?«
    Erik setzte sich an seinen Schreibtisch, zog die Pfeife hervor und holte Tabak und ein Päckchen Streichhölzer aus der Lade. Umständlich begann er die Pfeife zu stopfen, wartete auf die Frage, ob er etwa im Kommissariat, wo absolutes Rauchverbot herrschte, die Luft mit seinem Pfeifentabak verpesten wolle … aber Sören schien es plötzlich egal zu sein, was sein Chef tat. Wenn er nur endlich erklärte, wie er dazu kam, ohne Genehmigung der Staatsanwältin eine DNA-Probe untersuchen zu lassen. Sören war sogar sicher, dass Frau Dr. Speck gar nichts von dem Ergebnis dieser Überprüfung erfahren sollte. »Schon wieder etwas, was gerichtlich nicht zu verwerten ist! Was soll das, Chef?«
    Erik stopfte erst seine Pfeife sorgfältig zu Ende, dann legte er sie in die Schublade zurück und antwortete: »Ich musste es einfach wissen.«
    »Was? Dass Wiebke Reimers einen Mord begangen hat?«
    Erik nickte nicht, und er schüttelte auch nicht den Kopf. Er fühlte nur eine tiefe Traurigkeit in sich. Wiebke Reimers! Diese strahlende junge Frau! Diese liebenswerte Chaotin! Wenn er an ihre hellen Augen dachte, an die Grübchen in ihren Wangen, an die

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