Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
und von Ludo Thöneßens Zuckerkrankheit, die dafür gesorgt hatte, dass sein Leiden ein schnelles Ende gefunden hatte.
»Was für ein perfider Mord«, stieß Koopmann hervor und schüttelte sich. »Das war eine Frau, wetten? Ich sage Ihnen, Wolf, suchen Sie nach einer Frau! So was macht kein Mann!«
»Danke, Herr Koopmann«, sagte Erik, ohne aufzublicken. »Ich werde Ihre Meinung bei meinen Ermittlungen bedenken.«
Menno Koopmann schien das tatsächlich für möglich zu halten. »Und zum Dank bekomme ich die Geschichte exklusiv, sobald sie aufgeklärt ist?«
Sören stand auf und machte einen Schritt auf Koopmann zu, der prompt einen Schritt zur Tür zurückwich. »Wir melden uns bei Ihnen.«
»Und was ist mit diesem Selbstmord? Warum hat die Schwester von Corinna Matteuer sich umgebracht?«
»Eine unglückliche Liebe«, antwortete Erik. »Nichts, was im Inselblatt breitgetreten werden muss.«
Und Sören ergänzte: »Aber auch nichts, was für die Kriminalpolizei von Interesse wäre!«
Menno Koopmann stieß ein hässliches Lachen aus. »Aber für mich! Wenn es um irgendeine Touristin ginge, okay. Aber die Schwester von der Matteuer? Das interessiert die Leute!«
Erik winkte ab. Es würde sich nicht vermeiden lassen, dass Koopmann über den Selbstmord berichtete. Wenn er versuchte, ihn davon abzuhalten, würde der Artikel wahrscheinlich nur noch größer werden.
Als die Tür hinter Menno Koopmann ins Schloss fiel, atmete Erik auf. Aber nur kurz, schon wurde sie wieder aufgerissen. Der Chefredakteur des Inselblattes schäumte vor Wut. »Warum ist die Mattino schon wieder vor Ort? Noch vor dem Inselblatt ? Eine Frechheit, Wolf! Wieso bekommt die Tante von diesem Promiblatt Hinweise von Ihnen, auf die ich lange warten kann?«
»Vielleicht«, ertönte da eine Stimme hinter ihm, »weil diese Tante eine bessere Nase hat als Sie.« Wiebke war Koopmann gefolgt. »Sie irren sich. Ich bekomme von Hauptkommissar Wolf keine Hinweise. Ein guter Journalist hat es nicht nötig, auf Hinweise zu warten. Der wittert es, wenn’s irgendwo eine gute Story gibt.«
Koopmann fuhr zu ihr herum. Angewidert stellte Erik fest, dass sein Speichel vor Erregung sprühte, und er bewunderte Wiebke, dass sie trotzdem nicht zurückwich. »Wer sind Sie überhaupt? Ich kenne die Mattino, und ich kenne auch einige Redakteure. Von Ihnen habe ich noch nie was gehört!« Wütend wandte er sich wieder Erik zu. »Aber von Hauptkommissar Wolf bekommt man anscheinend jede Information, wenn man nur jung und hübsch und weiblich ist!«
Wiebke Reimers wich keinen Zentimeter zur Seite, als Menno Koopmann sich an ihr vorbeidrängte, um das Büro verlassen zu können. »Tut mir leid«, sagte sie und schenkte Erik ein so entzückendes Lächeln, dass er kaum den Sinn ihrer Worte wahrnahm. »Aber meinen Presseausweis habe ich leider nicht dabei. Zu Hause vergessen!«
W illi Steensen, der Vorsitzende von »Verraten und verkauft«, hatte einen Fahrdienst organisiert, der alle Mitglieder zum Ponyhof fuhr, dem Ausgangspunkt der Demonstration. Sie versammelten sich auf dessen Parkplatz, wo sich der Vorsitzende der Bürgerinitiative auf einen Findling stellte und eine kurze, knackige Ansprache an seine »Mitkämpfer«, wie er sie nannte, richtete.
»Sylt, quo vadis?«, rief er über ihre Köpfe hinweg. »Wie viel hält unsere Insel noch aus, wenn die Gästezahlen steigen und steigen und Sylt weiter von Investoren des Festlandes zugebaut wird? Schluss mit der Profitgier auf Kosten der Sylter!«
»Schluss! Schluss!« Er wurde bejubelt, probeweise wurden Parolen geschmettert, die für Mamma Carlotta jedoch alle viel zu lahm und kraftlos ausfielen.
»Schluss mit den Bausünden!«, versuchte es Willi Steensen noch einmal.
»Finito!«, rief Mamma Carlotta und streckte die rechte Faust in den Himmel.
Das erzeugte endlich die Inbrunst, die dem Vorsitzenden bis dahin noch gefehlt hatte.
»Finito!«, kam es zunächst friesisch, also vorsichtig und reserviert heraus. Lautstärke und Inbrunst steigerten sich jedoch kontinuierlich.
Als sich die Demo auf dem Parkplatz des Ponyhofes formierte, klangen die drei Silben des »Fi-ni-to!«. Schon erheblich entschlossener als kurz zuvor das unmelodische »Schluss!«.
Willi Steensen hatte nun wohl den Eindruck, dass alle Demonstranten gut auf ihre Aufgabe eingestellt waren, und gab das Kommando zum Aufbruch. Mamma Carlotta, die sich bisher nur in einer größeren Menschenmenge vorwärtsbewegt hatte, wenn der Pfarrer ihres
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