Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
politischen Ziele für kurze Zeit zu vergessen, heimlich nach Kamm und Lippenstift zu suchen und schneller als alle anderen ein Bier für die junge Reporterin zu bestellen, für das sie sich später erkenntlich zeigen sollte.
Wieder rief jemand nach Ludo, der auf einem Foto für die Mattino nicht fehlen durfte, und diesmal kam Jacqueline um eine Antwort herum. Denn in diesem Moment betrat Kriminalhauptkommissar Erik Wolf mit seinem Assistenten Sören Kretschmer den Raum. Er grüßte freundlich, trotzdem wurde allen schnell klar, dass er nicht gekommen war, um eine Stunde Squash zu spielen oder nach den Vorbereitungen für die Demo zu sehen. Erwartungsvolle Stille trat ein.
E rik war zunächst vor dem Squashcenter stehen geblieben, als fiele es ihm schwer, die Tür zu öffnen und das Eigentum des Toten zu betreten.
»Ich habe gerade noch mal mit der Staatsanwältin telefoniert«, hatte er zu Sören gesagt. »Frau Dr. Speck ist es wichtig, dass wir hier einen Blick hinter die Kulissen werfen. Wenn wirklich eine Liebesgeschichte hinter diesem Mord steckt und wenn der Abschiedsbrief echt ist, dann können wir den Fall zu den Akten legen.«
»Was hält sie davon, der Sylter Bevölkerung zu verschweigen, dass Ludo Thöneßen das Opfer von Matilda Pütz ist?«
Erik runzelte ärgerlich die Stirn. Sören konnte sich denken, dass er mit der Staatsanwältin nicht darüber gesprochen hatte! Diese Frage war reine Provokation. »Sie wollte nur das wissen«, antwortete er ruhig, »was für unseren Fall wirklich wichtig ist.«
Sören nickte, als langweilte ihn dieses Thema bereits. »Gut, dass der Architekt von Matteuer-Immobilien uns was Handschriftliches von Matilda Pütz geben konnte. Dieser Dennis Happe war sogar so freundlich, keine lästigen Fragen zu stellen. Jetzt sind die beiden Schriftstücke unterwegs, und morgen werden wir wissen, dass der Abschiedsbrief von Matilda Pütz geschrieben wurde. Wetten?«
»Aber Dr. Hillmots Beobachtungen …«
»… sind Indizien, keine Beweise«, unterbrach Sören ihn. »Auch die Spuren am Balkon sind so schwach, dass sie höchstens als Indizien taugen. Spuren von Fußspitzen an der Brüstung, abgeknickte Zweige in den Blumenkästen. Keine echten Abwehrspuren!«
Erik nickte. »Wenn der Abschiedsbrief gefälscht wäre, müsste es eine sehr gute Fälschung sein. Corinna sagt, sie erkennt die Schrift ihrer Schwester einwandfrei.«
Sören griff sich an den Kopf. »Jemand klaut der Pütz ihren Schlüssel, fälscht ihren Abschiedsbrief, wartet, bis die Schwester eingeschlafen ist, dringt in die Wohnung ein, bugsiert Matilda Pütz auf den Balkon, und dann …? Ne, das kann ich auch nicht glauben. Vetterich sagt übrigens, die Spuren auf dem Balkon stammten nicht unbedingt von einem Kampf. Solche Spuren entstehen auch, wenn sich jemand weit über die Balkonbrüstung beugt oder hinaufklettert, um sich hinabzustürzen.«
»Trotzdem wäre es gut, etwas mehr über Ludos Beziehung zu Matilda Pütz zu erfahren.« Entschlossen ging Erik auf den Eingang des Squashcenters zu. Aber an der Tür blieb er noch einmal stehen. »Hat der Hoteldirektor sich noch nicht gemeldet?«
Sören schlug sich vor die Stirn. »Ja, sorry, habe ich vergessen, Ihnen zu sagen. Ludos Wagen ist in der Nacht von Freitag auf Samstag eingestellt worden. Um zwei Uhr dreiundvierzig.«
Erik rechnete nach. »Passt also«, sagte er dann und öffnete die Eingangstür des Squashcenters.
Im Bistro schlug ihm Argwohn entgegen. In vielen Gesichtern sah er die Frage, warum die Polizei in der Sportlerklause auftauchte und ihre Vorbereitungen störte, und in einigen sogar die Antwort. Und er sah Wiebke, die von seiner Schwiegermutter mit Fragen bestürmt wurde, von denen sie keine mehr wahrnahm, nachdem sie Erik bemerkt hatte. Ohne den Blick von ihm zu nehmen, stellte sie das Glas weg, das Mamma Carlotta ihr gerade in die Hand gedrückt hatte, bemerkte aber nicht, dass es nur zur Hälfte auf dem blanken Holz der Theke und zur anderen Hälfte auf einem Streichholzbriefchen landete, dadurch vornüberkippte und sich auf der Hose einer engagierten Demonstrantin ergoss, die sich gerade in Wiebkes Nähe gedrängt hatte, um ein schlagzeilentaugliches Statement abzugeben.
In der Unruhe, die durch das Suchen nach Servietten, Wiebkes gestammelte Entschuldigungen und mindestens drei unterschiedliche Empfehlungen entstand, wie Orangensaft aus Wollstoff zu entfernen war, sprach Jacqueline es aus: »Ist was mit Ludo?«
Eriks Augen trennten sich
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