Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
betrogen.
Während Corinna ihr Herz öffnete, war es in seinem merkwürdig kühl geblieben.
»Wie ist aus dir diese Geschäftsfrau geworden?«, fragte er. »Damals hattest du kein großes Interesse an der Bauunternehmung deines Vaters.«
Corinna nestelte an seinen Hemdknöpfen herum, während sie antwortete: »Damals war ich ein dummes Gör. Aber nach dem Studium gab es für Matilda und mich nur noch das Geschäft.«
»Du warst erfolgreich und Matilda nicht.«
»Ich hatte Klaus an meiner Seite, Matilda war allein. Klaus war der geborene Geschäftsmann. Was er anfasste, wurde zu Geld.«
Dass sie selbst ihren Mann erwähnte, war Erik recht. Ein guter Grund, von ihr abzurücken! »Hast du von ihm diese Skrupellosigkeit gelernt? Leuten wie Ludo Thöneßen die Lebensgrundlage zu entziehen? Über Leichen zu gehen, damit Geld in die Kasse kommt? Reicher werden um jeden Preis?«
Sie sah ihn empört an. »Ich bin nicht skrupellos! Und über Leichen gehe ich auch nicht!« Der Schreck über den plötzlichen Stimmungswechsel stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Aber du zahlst Bestechungsgelder, damit der Naturschutz vergessen wird. Keine Ausflüchte! Ich weiß, dass du es tust. Du treibst kleine Hotelbesitzer in den Ruin, du nimmst Zimmervermietern die Lebensgrundlage …«
»Freie Marktwirtschaft!«
»Du machst die Insel kaputt, die eigentlich auch dir etwas bedeuten sollte.«
»Jetzt wirst du theatralisch.«
»Damals hätte ich dir so etwas nie zugetraut.« Erik schloss die beiden Hemdknöpfe, die sie bereits geöffnet hatte. »Und du würdest auch deinen Mann betrügen?«
»Er merkt nichts davon. Ich würde ihm nichts nehmen.«
Erik griff nach Corinnas Oberarmen und sah sie eindringlich an. »Es bringt nichts, wenn du auf diese Weise versuchst, mit dem Tod deiner Schwester fertigzuwerden. Und mit Dennis Happes Tod. Es würde dich nur kurz ablenken. Hilf mir, die Todesfälle aufzuklären, möglicherweise hilfst du damit auch dir selbst.«
Sie stand auf und zupfte sich die Kleidung zurecht. Er wunderte sich, dass sie ihre Frisur, die kurz vor der Auflösung stand, nicht wieder richtete, wie sie es früher getan hätte. »Der erste Todesfall ist aufgeklärt«, sagte sie kühl. »Meine Schwester hat diesen Ludo Thöneßen umgebracht, weil er sie betrogen und ihre Liebe enttäuscht hatte.«
»Aber die Hintergründe!«
Sie beachtete diesen Einwurf nicht. »Und warum Dennis ermordet wurde … woher soll ich das wissen?«
»Du hast also keine Ahnung, was deine Schwester in ihrem Schreibtisch versteckt haben könnte? Es muss etwas sehr Bedeutsames gewesen sein. Der Mörder muss gewusst oder zumindest geahnt haben, was er dort findet. Und für ihn war es derart wichtig, dass er dafür sogar einen Mord beging.«
Sie zuckte nur die Schultern und versuchte, gleichmütig auszusehen. Aber Erik spürte, dass ihre Mimik nur Spiel war.
»Matilda war deine Zwillingsschwester, ihr habt alles voneinander gewusst.«
»Früher vielleicht«, entgegnete sie und gab sich Mühe, weiterhin kühl zu wirken. »Aber anscheinend hat Matilda ja Geheimnisse vor mir gehabt.«
Plötzlich kam Erik ein Verdacht. »Oder willst du sie schützen? Über ihren Tod hinaus?«
Darauf hatte Corinna nicht geantwortet, sondern ihn nur gebeten, sie erst allein zu lassen, wenn sie eingeschlafen war …
Sören kam zurück – mit einer Miene, die Erik alarmierte. »Der nächste Ärger?«
Sören antwortete nicht, sondern hielt ihm nur das Titelblatt hin. Die Schlagzeile sprang ihm entgegen: »Finito! Der neue Schlachtruf von ›Verraten und verkauft‹! Nicht nur unsere Insel, auch die Bürgerinitiative fest in fremder Hand!«
Darunter war eine Frau von Mitte fünfzig zu sehen, schwarzhaarig, mit zerzausten Locken. Mollig, aber keineswegs gemütlich, mit sprühenden Augen und zum Schrei geöffnetem Mund. Sie streckte eine Faust in die Höhe und sah kämpferisch und unbeugsam aus.
Sören grinste. »Wenn sie so weitermacht, wird sie im nächsten Jahr zur Bürgermeisterin gewählt.«
»Menno Koopmann, dieser Mistkerl!«, flüsterte Erik. »Das ist also seine Rache, weil er glaubt, dass die Mattino mehr von mir erfährt als er. Ist das meine Schuld, dass Wiebke Reimers immer schneller ist? Koopmann soll sich an seine eigene Nase fassen!«
Sören antwortete mit einer unauffälligen Bewegung seines Kopfes nach rechts. »Woher weiß die denn, dass Sila Simoni heute ankommt? Auch nur Zufall?«
Sprachlos starrte Erik ihr entgegen. Um ihren Hals hatte Wiebke
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