Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
Vom Netzwerk:
Sie hatte gehofft, in der Pause des Konzertes ein paar Worte mit Lenz Hofer wechseln zu können. Immerhin musste es eine Erklärung dafür geben, dass er nicht, wie ausgemacht, an der Besprechung am Nachmittag teilgenommen hatte. Sie hatte den Assistenten in der Pause des Konzerts erspäht und ihn zur Rede stellen wollen. Er war allerdings ins Gespräch vertieft. Viola Vielle, die Geigerin, befand sich an seiner Seite. Was machte die hier draußen?, hatte Jenny sich gefragt. Sollte Viola die Pause nicht besser dazu nutzen, an ihrem Tempo zu arbeiten, zu meditieren oder was auch immer Musiker taten, wenn sie sich auf ihren Auftritt vorbereiteten?
    Sie schien dies offenkundig nicht nötig zu haben. Das Becken vorgeschoben und lässig einen Arm in die schmale Hüfte gestemmt stand sie neben Lenz. Immer wieder warf sie den Kopf zurück und bleckte die Zähne zu einem wiehernden Lachen.
    Jenny beschloss, die beiden zu ignorieren. So weit würde es nicht kommen, dass Lenz den Eindruck gewinnen könnte, sie laufe ihm nach. Stattdessen begann sie ein Gespräch mit dem Fotografen. Er sah gar nicht übel aus. Breitschultrig und gut gebaut. Seine Haut war sonnengebräunt, die kurzgeschnittenen dunklen Haare waren von silbrigen Fäden durchzogen. Sie schätzte ihn auf Anfang 40.
    Sie hatte gerade ein wenig mit ihm zu flirten begonnen, als Lenz aufgetaucht war. Geradezu ritterlich hatte er ihr seine Jacke um die bloßen Schultern gelegt und sie von dem Mann weggelotst.
    Während der zweiten Hälfte des Konzerts saß Jenny neben Lenz. Ein wenig müde war sie, einmal wäre sie sogar beinahe eingenickt. Lenz hatte sie durch einen sanften Stupser davor bewahrt, mit dem Kopf auf seine Schulter zu sinken. Danach war es ihr gelungen, den Klängen in aufrechter Sitzhaltung zu lauschen. Sie freute sich auf den Rückweg mit ihm. Wenn er Lust hatte, könnten sie zu Fuß nach Dorf Tirol gehen. Der Schlossweg würde mit Fackeln beleuchtet sein, die eigens für diesen Anlass am Geländer angebracht worden waren. Vom Dorf konnten sie ein Taxi nehmen. Kalt war ihr nicht mehr, sie hatte ja Lenz’ Jacke.
    Kaum, dass sie die Burg verlassen hatten, war Kateryna Maximowa auf sie zugekommen. Sie würde gerne ihr Statement für die Pressekonferenz durchgehen. Ob Jenny – seit heute Nachmittag nannten sie sich beim Vornamen – ihr den Gefallen tun und in ihrem Wagen mit zurückfahren könne?
    Natürlich konnte Jenny, etwas anderes blieb ihr gar nicht übrig. Immerhin hatte sie den Auftrag, der mit einem anständigen Honorar dotiert war, allein Katerynas großzügiger Unterstützung für das Symposium zu verdanken. Vom knapp bemessenen Budget der Universität hätte Arthur es sich nicht leisten können, eine PR-Beraterin zu engagieren. Darüber hinaus hatte Kateryna sich äußerst umgänglich gezeigt. Obwohl Jenny nicht daran zweifelte, dass die schwerreiche Geschäftsfrau über eigene Berater verfügte, hatte diese ihr den Eindruck vermittelt, ihre Expertise zu schätzen. Wenn sie Wert auf ihren Rat legte, sollte sie ihn auch bekommen.
    Jenny war zu der Ukrainerin und ihrer Tochter Sascha in den Wagen gestiegen. Sollte nicht auch Katerynas gutaussehender Manager hier sein? Jenny hatte die beiden in der Pause beobachtet, sie hatten sehr vertraut gewirkt.
    Ehe sie sich nach dem Mann erkundigen konnte, setzte Kateryna zu einer Erklärung an: »Tony geht zu Fuß. Wir Frauen sind unter uns.« Verschwörerisch zwinkerte sie Jenny zu. In dem Moment öffnete Sascha die Wagentür. »Muss Klo. Fahren mit Victor und Juri.« Wie auf Kommando waren zwei breitschultrige Kerle mit kurzgeschorenem Haar neben dem Wagen aufgetaucht. Kateryna sagte ein paar Worte – in Ukrainisch, wie Jenny annahm. Sie fragte sich, ob die beiden Athleten der richtige Umgang für ein heranwachsendes Mädchen waren. Doch das war nicht ihre Angelegenheit.
    Der Wagen hatte sich in Bewegung gesetzt. Kateryna ließ ihre Handtasche aus Krokoleder aufschnappen und beugte sich vor. Dabei fiel Jenny ein Medaillon auf, das am Dekolleté der Frau baumelte. Der Anhänger war eine ausgesprochen schöne Arbeit: Aus Gold gefertigt und mit Intarsien verziert wirkte der Schmuck edel und schlicht. Es musste sich um eine Antiquität handeln und passte gar nicht zu Katerynas sonst eher protzigem Stil.
    »Ein sehr schönes Medaillon, das Sie da tragen.«
    Kateryna schien sich darüber zu freuen. Wie andächtig legte sie die Hand auf das Schmuckstück und lächelte. »Ich habe es von meiner

Weitere Kostenlose Bücher