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Kurschattenerbe

Kurschattenerbe

Titel: Kurschattenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Neureiter
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in den Dolomiten‹, stand unter dem Foto.
    Franca sah auf: »Die beiden kennen sich von früher?«
    Klotz grinste: »Könnte man so sagen. Beide stammen aus Gröden und waren früher Bergkameraden.« Er beugte sich weiter nach vorn, um sich das Bild genauer anzusehen.
    »Die zwei haben gemeinsam einige Dreitausender bestiegen. Später haben sich ihre Wege getrennt. Der Pircher ist Journalist geworden, der Perathoner hat sich als Extremkletterer einen Namen gemacht und ist nach Amerika ausgewandert.«
    Klotz schob das Blatt von sich. »Wusst ich doch, dass mir der Name bekannt vorkam. Damals hieß er allerdings Toni. Das I hat er wohl in den USA gegen ein Ypsilon eingetauscht.«
    Kaum hatte Klotz zu Ende gesprochen, wurde Franca durch einen Lärm, der aus ihrem Vorzimmer hereindrang, abgelenkt. Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen und Kateryna Maximowa stürmte in das Büro der Vizequästorin. Im Schlepptau befand sich ein Mann mittleren Alters, dessen soigniertes Aussehen vermuten ließ, dass er Rechtsanwalt war.
    »Ich verlange, dass Sie Herrn Perathoner sofort freilassen«, herrschte sie Franca an. Beschwichtigend legte Katerynas Begleiter ihr die Hand auf den Arm, doch die Ukrainerin ließ sich nicht Einhalt gebieten.
    »Bitte glauben Sie mir, Tony ist unschuldig«, sagte sie, offensichtlich um einen versöhnlichen Tonfall bemüht. »Es war meine Idee …«, fuhr die Frau fort. Jäh hielt sie inne. Ihr Blick fiel auf den Computerausdruck, der auf Francas Schreibtisch lag.
    »Wer ist das?«, rief sie aus. Laut las sie weiter: »Toni Perathoner und Beppo Pircher …« Kateryna Maximowa hob den Kopf und sah Franca aus großen blauen Augen an. »Die beiden kennen sich?«, fragte sie ungläubig.
    Franca überlegte, wie sie der Frau die Wahrheit schonend beibringen konnte. Doch Klotz kam ihr zuvor: »Die beiden sind alte Bergkameraden und haben früher eine Seilschaft gebildet.« Der Kommissar machte eine kurze Pause und richtete seinen Blick fest auf die Ukrainerin. »Mitgehangen, mitgefangen. Sieht jedenfalls ganz danach aus.«
    Franca registrierte, wie jegliche Farbe aus Katerynas sorgfältig geschminktem Gesicht wich. »Rasch, ein Glas Wasser für Frau Maximowa«, rief Franca. »Klotz, was stehen Sie rum …« Franca unterbrach sich. Zum zweiten Mal an diesem Tag war Kateryna ohnmächtig zusammengesunken – diesmal allerdings nicht zu Boden, sondern direkt in die Arme von Aldo Klotz, der die Frau auffing.

SIEBZEHN
    In ihrem zweckmäßig eingerichteten Hotelzimmer besah Jenny sich das Programm des Symposiums, das auf dem schmalen Schreibtisch lag. Nachdem sie sich den einfachen Holzstuhl zurechtgerückt und sich gesetzt hatte, begann sie, ziellos in dem Heftchen zu blättern.
    Nach einer langen, unangenehmen Befragung hatte sie das Kommissariat endlich verlassen dürfen und war anschließend mit dem Taxi vom Kornplatz zu ihrem Hotel gefahren.
    Ursprünglich hatte sie vorgehabt, sich eine heiße Dusche zu gönnen, und den Schmutz, den die Ereignisse gleichermaßen auf Körper und Seele hinterlassen hatten, gründlich abzuspülen. Doch in ihrem Zimmer angekommen, musste sie feststellen, dass sie zu keiner vernünftigen Handlung fähig war. Ziellos war sie in dem länglichen Raum auf und ab gewandert, bis ihr Blick auf das Programm gefallen war.
    Nun saß sie verschwitzt und ausgelaugt an ihrem Schreibtisch, unfähig, sich zu konzentrieren.
    Erneut ließ sie sich die Einvernahme durch den Kopf gehen. Wieder und wieder hatte sie dem dicken Kommissar geschildert, warum sie von Anfang an daran gezweifelt hatte, dass Arthur der Pressekonferenz freiwillig ferngeblieben war. Eine solche Handlungsweise entsprach einfach nicht seinem Charakter, auch die SMS hatte sie nicht von ihrer Überzeugung abbringen können. Insgeheim hatte Jenny von Anfang an den Verdacht gehegt, dass die Nachricht fingiert war – und wie es aussah, lag sie mir ihrer Vermutung richtig.
    Wie alles genau abgelaufen war, musste rekonstruiert werden. Das war nun Aufgabe der Polizei. Sie, Jenny, konnte nichts mehr tun. Ihr blieb nur zu hoffen, dass Arthur die ganze Sache gut überstand. Der Zustand, in dem sie ihn gefunden hatten, war erbärmlich gewesen. Sie hatte mitbekommen, wie er in das Rettungsfahrzeug verladen wurde. Währenddessen war Klotz’ Verstärkung aufgetaucht, die Beppo Pircher und Tony Pera­thoner abtransportiert hatten. Jenny war von Aldo Klotz höchstpersönlich in seinem Wagen aufs Kommissariat gebracht worden.

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