Kurswechsel im Beruf
bei weitem überwiegt. Doch das wissen wir erst im Rückblick. Dieses Grunddilemma unseres Lebens hat der dänische Philosoph Sören Kierkegaard auf den Punkt gebracht: „Das Leben kann nur in der Rückschau verstanden, doch es muss in der Vorschau gelebt werden.“
Das gilt auch für die nächste Angst, der wir uns widmen: der Angst, authentisch zu sein.
3. Angst, authentisch zu sein
Die Tarnkappe hat ihren Zweck erfüllt
Was wir gewinnen
Umkehr der Maßstäbe
Übung: Authentizität
Wir alle wünschen uns, so gesehen zu werden, wie wir sind, erkannt zu werden. Doch gleichzeitig haben wir davor die größte Angst. Deshalb verstecken wir uns unter einer Tarnkappe.
Diese Tarnkappe kann unterschiedliche Formen annehmen. Wir können uns hinter einem Team verstecken. Das Team hat dies und jenes entschieden. Das Team trägt die Verantwortung, nicht ein Einzelner oder eine Einzelne. Die Tarnkappe kann ein falscher Beruf sein, hinter dem wir uns verbergen, statt den Maler in uns ans Licht zu bringen. Die Tarnkappe kann sich darin äußern, dass wir unsere eigenen Werte verleugnen, im Großen wie im Kleinen, um nicht aufzufallen.
Wenn wir unserem eigenen Stern folgen, müssen wir irgendwann die Tarnkappe absetzen und uns zu unserem authentischen Selbst bekennen. Das ist der Preis. Je mehr wir auf unserem eigenen Weg voranschreiten, desto mehr erkennen wir, dass wir auf diesem Weg alleine sind. Es mag andere geben, die einen ähnlichen Weg gehen wie wir. Doch ihre Spur befindet sich neben der unseren. Es ist nicht dieselbe.
Damit werden wir sichtbar, ob wir es wollen oder nicht. Wir können uns nicht mehr in einer Masse verbergen. Es ist dreierlei, was wir befürchten:
Zum einen fürchten wir, die bisherige Zugehörigkeit zu verlieren und niemanden mehr zu finden, der oder die uns auf unserem Weg begleitet. Das ist ein reales Risiko, wie wir schon im letzten Kapitel festgestellt haben. Zumindest für eine Übergangszeit müssen wir damit rechnen, dass die früheren Wegbegleiter nicht mehr da und neue noch nicht in Sicht sind.
Daneben befürchten wir, dass wir uns angreifbar und verletzbar machen, wenn wir aus der Deckung hervorkommen. Auch das ist ein reales Risiko. Wir spüren heute den Maler in uns. Doch wir wissen nicht, was er wirklich kann. Es kann sein, dass er mit seinen Bildern die Welt verändert. Es kann sein, dass er hungernd in einer Dachkammer sein Leben fristen muss. Dazwischen ist alles möglich. Was nützt es uns, wenn wir selbst von unserem Können überzeugt sind, aber die Welt honoriert es nicht?
Unsere dritte Befürchtung ist paradox im Vergleich zu der vorherigen, doch gleichermaßen vorhanden. Es ist die Befürchtung, dass wir keinen Applaus verdienen, dass wir nicht gut genug sind. Auch das ist ein reales Risiko. Statt Applaus können wir auch Geld einsetzen, dann wird es noch deutlicher. Welcher Preis ist angemessen für unsere Leistung? Wenn wir alleine unterwegs sind, gibt es keine Tarife mehr, sondern stattdessen individuelle Vereinbarungen.
Die Tarnkappe hat ihren Zweck erfüllt
Die Tarnkappe hat uns vor all diesen Risiken geschützt. Wir konnten im Mainstream mitschwimmen und uns trösten, dass so viele sich nicht irren können. In der Lebensmitte wird das zunehmend schwerer. Wir wissen nicht, wie viel Zeit wir noch zur Verfügung haben. Wir spüren, dass es zumindest ein Irrtum wäre, so weiterzumachen wie bisher. Wir haben erfahren, dass die Ziele, denen wir bisher hinterhergejagt sind, nicht zu wahrer Erfüllung geführt und uns nicht in Frieden mit uns selbst gebracht haben.
Selbst wenn wir andere weiter täuschen können, gelingt uns das nicht mehr uns selbst gegenüber. Beim Blick in den Spiegel versagt die Tarnkappe. Es wird Zeit, dass wir sie absetzen.
Was wir gewinnen
Wenn wir uns entscheiden, authentisch zu sein, gewinnen wir Unabhängigkeit. Es geschieht etwas Merkwürdiges: Unsere Befürchtungen treten ein – aber gleichzeitig werden sie unwichtig.
Unsere Ängste haben nur solange Macht über uns, wie wir es ihnen erlauben. Solange wir uns an äußeren Vorbildern und Wertvorstellungen anderer orientieren, sind wir bestrebt, diesen nachzukommen bis zum Preis, uns selbst zu verbiegen.
Sobald wir uns an unseren inneren Maßstäben orientieren, sind uns die äußeren nicht mehr wichtig. Sobald wir erfahren haben, wie es ist, im Frieden mit uns selbst zu sein, nehmen wir es in Kauf, von anderen kritisiert zu werden. Im Grunde spielt es dann keine Rolle mehr, ob uns andere
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