Kurt Ostbahn - Peep- Show
Fax, wie gewünscht, vorerst vertraulich zu behandeln. Über das Antwortschreiben nach Louisiana mag er gar nicht erst nachdenken.
***
Im Garten des Schutzhauses am Schafberg herrscht Hochbetrieb. Heute züchten sich hier heroben, über den Dächern der Stadt, die Gäste des nahen Freibades zum ersten Sonnenbrand der Saison gleich auch ein ordentliches Räuscherl an. Die Frage nach der Traumfigur haben sie sich bereits bei der Anprobe des diesjährigen Badekostüms eindeutig negativ beantwortet. Also schleppen die Kellner zu den Krügeln und Spritzweinen fette Bratwürste und Schweinsbraten in den Garten, garniert mit triefenden Pommes und warmem Krautsalat mit Speck.
Nur die zwei Männer an dem schattigen Tisch gleich neben dem Eingang zur Schank passen nicht so recht in die fröhliche Cholesterin-Party. An ihrem Tisch gibts nix zu essen und zu lachen.
Doktor Trash versucht vergebens, die Vorboten eines massiven Migräneanfalls mit weißen Sommerspritzern niederzukämpfen, und sein Gegenüber - der pensionierte Kriminalist Franz Brunner — reizt seine lädierte Bauchspeicheldrüse mit Mokka-Weinbrand und das arg angegriffene Nervenkostüm des Doc mit düsteren Prognosen:
»Also, wann Sie mich fragen, Herr Dresch, dann kann ich Ihnen nur eins sagen: Der Trainer und Sie haben da wieder einmal in ein Wespennest gstochen. In ein Hornissennest, möcht ich fast sagen. Weil der feine Herr Schraake ist ein alter Bekannter von uns. Der beschäftigt seit Jahren so ziemlich alle Abteilungen, vom Betrug angfangen, über die Sitte bis zur Wirtschaftspolizei. Aber man hat ihm bis heut ned viel mehr anhängen können als ein Strafmandat. Ein gfernzter Hund. Mit vielen einflußreichen Freunden in Ost und West, wann Sie wissen, was ich mein. Ich sag nur: Golfclub Freudenau. Aber was mir bei der ganzen Sache, die Sie mir da erzählen, noch mehr Sorgen macht: Sie sind außerdem grad dabei, eine Tote aufzuwecken. Und das is a bißl viel auf einmal. Des kann schwer ins Aug gehn. Vor allem, wenn man behördlicherseits auf einen Ansprechpartner wie den Herrn Exkollegen Skocik angewiesen is. Ich nehm an, Sie kennen die Gschicht?«
Der Doc nickt.
Er kennt viele Geschichten, die davon handeln, wie Franz Brunner, Gruppenleiter im Morddezernat des Wie-ner Sicherheitsbüros, in den frühen Ruhestand intrigiert wurde. Da ist immer wieder von einem Komplott der mehrheitlich freiheitlichen Personalvertretung die Rede, aber auch von Brunners Alkoholproblem. Der Kurtl kennt sicherlich noch mehr Geschichten oder vielleicht sogar die ganze Wahrheit, denn seit der Jagd nach dem »Schlächter von Fünfhaus« vor fünf Jahren (siehe auch: »Kurt Ostbahn: Blutrausch«, 1995) verbindet Brunner und Kurt Ostbahn eine — wie der Trainer meint — »hochprozentige Altmännerfreundschaft«.
Brunner winkt den Kellner an den Tisch und ordert noch einen kleinen Schwarzen mit Weinbrand.
»Für Sie auch?« wendet er sich an den Doc, doch der winkt ab. »Tät Ihnen aber nix schaden. So blaß wie Sie ausschauen, is der Blutdruck garantiert im Keller. Trinkens wenigstens a Achtl Rot. Weil sonst fallens mir da no vom Bankerl.«
Der Doc kapituliert vor so viel Anteilnahme.
»Und a Achtl Rot. Aber vom Bessern«, gibt Brunner dem Kellner mit auf den Weg.
Der Doc sitzt nun schon seit über zwei Stunden mit dem Exkrimineser im Schutzhausgarten. Er hat, wie das so seine Art ist, in knappen Worten berichtet, was der Rikki und in weiterer Folge ihm und dem Trainer zugestoßen ist, und mußte angesichts des russischen Vandalenakts von letzter Nacht zähneknirschend einräumen, daß man mit der eigenen Weisheit nun ziemlich am Ende sei.
Brunner hat andächtig zugehört, nur wenige Zwischenfragen gestellt, aber ganz viele kleine Mokka mit Schuß getrunken. Dreimal wurde ihre Konversation un-terbrochen. Durch Brunners Handy. Jedesmal war seine Lebensgefährtin am Apparat, die hantige Frau Ursula, Stationsschwester im Hanusch-Krankenhaus. Und jedesmal wollte sie eigentlich nix Bestimmtes, nur hören, wies dem Brunner so geht.
Nach ihrem dritten Anruf mußte der Kriminalruheständler dann was loswerden: nämlich daß nicht er, sondern seine Ursula mit der Handymania begonnen hat, ein Sonderangebot in einer Illustrierten, zwei Apparate zum Preis von einem, Partnertelefon zum Spartarif.
»A Tragödie«, faßt Brunner seine diesbezüglichen Erfahrungen zusammen. »Seit wos des Handy gibt, geht gar nix mehr. Sie weiß auf die Minute genau, wann i pinkeln geh und rechnt
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