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Kurt Ostbahn - Schneeblind

Kurt Ostbahn - Schneeblind

Titel: Kurt Ostbahn - Schneeblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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abend versetzt hat. Tut mir ehrlich leid.«
    Wenn das Vieraugengespräch, sollte es je Zustandekommen, das hält, was ihre Stimme verspricht, dann ist des Trainers dominante Bekannte ein ziemlicher Wahnsinn.
    »Macht nix«, sage ich, von der telefonischen Präsenz meiner Gesprächspartnerin leicht ins Aus gedrängt und auf Grund der späten Stunde pointenmäßig nicht auf meinem sonstigen Niveau.
    Aber das stört nicht weiter und fällt nicht ungut auf, denn Nora hat ihren Anruf ohnehin als Solo-Performance angelegt, bei der ich bestenfalls als Stichwortlieferant eingeplant bin.
    Die im Schnee vermißt bis geschnetzelt geglaubte Domina erkundigt sich pro forma nach meiner und des Trainers Befindlichkeit und teilt mir - ohne meine Antwort abzuwarten - mit, daß sie selbst eh wohlauf und pudelmunter sei, Zofe Gerda über unsere besorgten bis panischen Anrufe sorgsam Buch geführt hätte, die Klärung eines sowohl persönlichen wie geschäftlichen Problems aber viel länger gedauert hat, als von ihr befürchtet, ahja, und außerdem der Schneesturm. Aber wir reden ja nicht übers Wetter.
    Das kommt alles in einem saloppen Tonfall daher, der mangelndes Interesse an unserer Ermittlungsarbeit vermuten läßt. Für ein avisiertes Mordopfer keine besonders schlaue Haltung.
    Also werd ich deutlich: »Unser Problem ist, daß Sie ein Problem haben, Nora, das man durchaus als lebensbedrohend bezeichnen kann. Im Klartext: Es gibt zwei Faxe von einem anonymen Absender an den Trainer, die unserer Meinung nach an Sie gerichtet sind. Und aus denen geht hervor, daß er plant, Sie zu ermorden. Eventuell nicht nur Sie, sondern im Zuge eines Trainingsprogramms in allernächster Zukunft auch noch andere Frauen. Verkäuferinnen. Supermarkt-Kassiererinnen.«
    »Ermorden? Mich?« fragt Nora, ein leichtes Beben in ihrer dunklen Stimme. »Also, die Faxe will ich sehen. Und da sollten wir drüber reden, find ich.«
    »Find ich auch«, sage ich.
    »Wo sind Sie daheim?« will Nora wissen. »Oder stör ich Sie? Jetzt?«
    Was soll man da drauf sagen?
    Ehrlich.

11
    MISTRESS, SCHLAFLOS.
    Es gibt Menschen, die brauchen so gut wie keinen Schlaf. Ich gehör da nicht dazu. Ohne meine vier, fünf Stunden bin ich zum Schmeißen. Da will der Körper nicht, wie ich will, daß er soll. Und da setzt es permanent mentale Entgleisungen, geistige Abstürze. Das Spektrum reicht von leichten Sprechstörungen (wie vorhin am Telefon) bis zum Totalausfall von Denken, Wissen und Gewissen.
    Der frühmorgendliche Hausbesuch einer Frau wie Nora wäre demnach höchst unangebracht und ist eigentlich nicht zu verantworten.
    Andrerseits: Die Zeit drängt, weil das Böse, wie wir alle wissen, niemals schläft.
    Aber diese meine Überlegungen kommen ohnehin zu spät. Denn Nora sitzt bereits im Wohnzimmer, liest grad das zweite Fax unseres Patienten und hätte dazu gern einen weißen Spritzer, aber nicht zu kalt, weil sie an den Spätfolgen einer ganz besonders hartnäckigen Seitenstrangangina laboriert, die ihr die Weihnachten und den Silvester versaut hat.
    Ich arbeite in der Küche an einem wohltemperierten Spritzwein, und weil die Fabrikation eines solchen nur etwa die Hälfte meiner derzeit verfügbaren geistigen Kapazität beansprucht, beschäftigt sich die zweite Hälfte mit meinem frühen Gast, der mir - ehrlich gesagt - nicht ganz Wurscht ist.
    Zum einen hält das Vier-Augen-Gespräch, was die Stimme am Telefon versprochen hat. Nora ist eine höchst attraktive Frau um die 40, der man gerne ansieht, daß sie viel gelebt hat. Vielleicht weil sie gar nicht erst versucht, mit Spachtelmasse glättend einzugreifen, wo das (harte? strenge? süße?) Leben seine Spuren hinterlassen hat. Nora ist außerdem (wie auch ihr Name sagt) schwarzhaarig und trägt ihr Haar halblang, mit einer flotten Außenrolle, wie seinerzeit die von mir hochgeschätzte britische Berufskollegin Emma Peel, die den älteren Semestern sicherlich noch aus der TV-Serie »Mit Schirm, Charme und Melone« in freudiger Erinnerung sein dürfte. Mit Miss Peel teilt Mistress Nora außerdem die gertenschlanke Figur sowie den trockenen Witz und Esprit, der ihr von dummen Menschen wahrscheinlich gern als Süffisanz ausgelegt wird.
    Und trotzdem: Irgendwas tickt bei ihr nicht richtig. Zum Beispiel ihre innere Uhr. Denn die Frau ist nach getanem Tagwerk und einer harten, langen Nacht jetzt im Morgengrauen geradezu beängstigend frisch und munter, geistig rege, duftet gut und sieht so was von erholt und ausgeruht aus,

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