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Kurt Ostbahn - Schneeblind

Kurt Ostbahn - Schneeblind

Titel: Kurt Ostbahn - Schneeblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guenter Broedl
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daß ich mir in ihrer Gegenwart alt, grau und gebrechlich vorkomme. Was eventuell auch daran liegen könnte, daß ich schön langsam in die Jahre komme, wo man sich nach einer durchzechten Nacht sogar drei Tage lang alt, grau und gebrechlich fühlen darf, aber das ist eine andere Geschichte ...
    »Ah, da bin ich ja beruhigt. Ich hab schon befürchtet, Sie sind mir im Stehen eingeschlafen«, sagt Nora, plötzlich dicht neben mir in der Küche, und schnappt sich ihren weißen Spritzer. »Danke. Kommen Sie dann zu mir?«
    »Bin schon da«, sage ich und folge ihr mit einem Glas Leitungswasser ins Wohnzimmer. »Musik?«
    »Kommt drauf an.«
    »Momentan mag er nur Ella mit Duke Ellington«, bringe ich Nora auf den aktuellsten Stand der emotionalen Dauerkrise meines CD-Wechslers. »Er is ein bißl eigen.«
    »Wer is das nicht?« meint Nora. Daß Ella Fitzgerald unser Gespräch musikalisch untermalen wird, findet sie mit einem versonnen, leisen Lächeln »sehr schön, und ganz schön absurd.«
    »Inwiefern?«
    »Déjà vu«, sagt Nora und setzt sich auf der Couch neben die Faxschreiben, die eigentlich Thema unserer Unterhaltung sein sollten. »Ich bin im Moment in einer Situation, die ich schon einmal erlebt hab. Ich weiß genau, ich war irgendwann in einem Raum wie diesem, bei einem Mann, der sich genau so vorsichtig abwartend wie Sie verhalten hat, es war zeitig in der Früh, und im Hintergrund lief eine Platte von Ella Fitzgerald.«
    »Erstaunlich«, sage ich und drücke auf der Fernbedienung den Startknopf. »Und was is dem Mann dann so alles passiert? Nur damit ich mich seelisch disponieren kann.«
    Nora lacht laut und herzlich auf und schüttelt den Kopf. Die Emma-Peel-Frisur gerät dabei leicht in Unordnung, und die strenge Dame sieht einen Augenblick lang aus wie ein Teenager.
    »Das erzähl ich Ihnen gern. Aber erst, wenn ich ein bißchen mehr über Sie weiß«, verspricht Nora.
    »Unbedingt«, sage ich. Und meine es auch so.
    Sie schnappt sich die Faxe und klopft mit der flachen Hand einladend auf den freien Couchplatz neben sich: »Der Beifahrersitz ist leer. Also einsteigen und gut anschnallen, Herr Ostbahn. Das wird keine Sonntagsfahrt. Eher im Gegenteil. Und ich hab‘s mir noch gedacht. Ich hab noch zu mir gesagt, das kann es nicht gewesen sein, da kommt garantiert was nach. Entweder er landet am Steinhof, in der geschlossenen Abteilung, oder er erklärt allen Michaelas dieser Welt den heiligen Krieg.«
    Ich versteh nur Bahnhof.
    »Moment. Schön langsam. Heißt das, daß Sie den Verfasser möglicherweise kennen?« frage ich und sinke neben Nora in mein Sofa. Es ist schön und aufregend und gleichzeitig beruhigend, neben Nora auf meinem Sofa zu sitzen. Und wäre die Lage nicht so verdammt ernst und kompliziert, wäre es herrlich, mit Nora jetzt auf meinem Sofa einzuschlafen und irgendwann, wenn die Sonne ausnahmsweise wieder einmal lacht, an ihrer Seite aufzuwachen, ihr durch die zerwühlte Emma-Peel-Frisur zu streichen und an ihren Ohrläppchen zu knabbern.
    Wie gesagt: Ohne meine vier, fünf Mützen Schlaf spielen Hormonhaushalt, der gesunde Hausverstand und die körpereigene Opiumküche völlig verrückt. Alles außer Rand und Band. Im schlimmsten aller Fälle bin ich grad auf dem Weg, mich in eine Frau zu verlieben, die ich nicht leiden kann.
    Nur nicht dran denken. Hart am Thema bleiben. Haltung bewahren. Sämtliche Coolitäts-Reserven aktivieren.
    »Natürlich kenn ich den Schreiber dieser ewigen Zeilen«, sagt Nora und fängt an, die Faxe zusammenzurollen. »Ich kenn ihn sogar sehr gut. Er ist, oder genauer, er war einer meiner ersten und treuesten Internet-Kunden. Aber Sie wissen ja: Gut kennen heißt in diesem Fall leider auch nix wissen. Ich weiß genau über seine sexuellen Vorlieben Bescheid, bis ins kleinste Detail, aber ich kenn weder seinen wirklichen Namen noch sein Gesicht. Seinen Arsch und seinen Schwanz kenn ich wiederum sehr gut, und ich hab beide daheim bei mir im Fotoarchiv. Aber die Bilder sind bei seiner Identifizierung wahrscheinlich keine wirkliche Hilfe. Oder vielleicht doch? Gibt’s bei der Polizei neben der Kartei mit den Visagen der üblichen Verdächtigen eigentlich auch Porträts ihrer Pimmel und Hinterteile, die man der Öffentlichkeit schändlicherweise vorenthält?«
    »Gute Frage«, sage ich und muß über die Vorstellung lachen, daß die Exekutive unter der Budel über eine Hardcore-Version ihrer Fahndungskartei verfügt.
    »Jedenfalls: Der Mann hat in den zwei Jahren, die

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