Kurt Ostbahn - Schneeblind
und in Sorge«, sage ich. Und tatsächlich: Während ich mit dem Doc telefoniere, vertreibt sich der Trainer die Zeit mit dem pedantischen Schlichten, Zurechtrücken und Im-rechten-Winkel-Ausrichten seiner Smart-Packung, des Bic-Feuerzeugs und der DIN-A4-Zettel mit den Fragen des Doktors.
Der krächzt bei störungsfreier, kristallklarer Verbindung, daß Geduld die Mutter der Porzellankiste sei, und Detektivarbeit in erster Linie aus Abwarten und Teetrinken bestehe. Dann erklärt er mir, daß er jetzt seinen Frieden haben wolle, weil ihm der grippale Infekt demnächst die Schädeldecke spalte, was man mit dem Einwurf einer halben Packung Thomapyrin und einem halben Dutzend Schlaftabletten zwar nicht verhindern, aber leichter ertragen kann.
»All unsere Hoffnungen liegen nun einmal in den Händen dieser dominanten Dame, über deren Kooperationsbereitschaft letztendlich euer diplomatisches Geschick und Feingefühl entscheidet«, gibt er mir mit auf den Weg durch die Nacht. Dann verfugt er sich in Morpheus Arme.
Aber ohne Nora keine fein ziselierten Fragen und keine erhellenden Antworten oder zweckdienlichen Hinweise. Sehen Sie: Das Arbeitspapier des vergrippten Doc, das er dem Trainer und mir am späten Nachmittag zukommen ließ, könnt ich Ihnen eigentlich in der Wartezeit zu lesen geben, während der Trainer und ich ohne viel Worte im dem baldigen Untergang geweihten Rallye zu warten und alkoholische Getränke trinken.
Ref. Fax-Terror/TrashDok 02/54b
An: Trainer/Kurt
Werte Freunde!
Wir haben es hier, wie befürchtet, mit einem psychopathischen Gewalttäter zu tun, der seine — wie auch immer geartete — Bekanntschaft mit Nora dazu benutzt, seine geplanten Bluttaten schriftlich anzukündigen und gleichzeitig zu recht-fertigen. Der Täter legt sozusagen vor seiner Tat die Beichte ab.
Und die spricht für einen Mann jenseits der 40, allein lebend, ohne regelmäßige Arbeit (Invalide, Frühpensionist, evtl. freischaffend), gebildet (mind. Matura-Niveau), dzt. in ärztlicher Behandlung (»Testergebnisse«), mit psychiatrischer Krankengeschichte, praktizierender Sado-Masochist, wohnhaft in einem Wiener Bezirk mit viel alter Bausubstanz (»Gangtoilette« usw.), straßenseitig, mit Blick auf eine »Mode-Boutique«, im Einzugsgebiet eines »Mondo«-Supermarkts.
Fragen an Mdme. Nora:
Kennt sie privat oder beruflich Männer, auf die obige grobe Persönlichkeits-Skizze zutrifft?
In welcher Form übt sie ihre Profession aus? In einem Bordell? Im eigenen Studio? Bei sogn. Hotel/Hausbesuchen? Per Telefon? Im Internet?
Wie rekrutiert sie ihre Kunden? Per Anzeige? Wenn ja: welche Zeitungen, Magazine? In einschlägigen Lokalen, S/M-Clubs, Fetish-Treffs etc.?
In welchem Verhältnis steht sie zum Trainer? (Wieso erhält er, seit sie in der Trainer-Mansarde genächtigt hat, Faxbotschaften, die eindeutig nicht an ihn, sondern an sie gerichtet sind?)
Wem aus ihrem Familien/Bekannten/Kundenkreis hat sie über den Trainer, Teneriffa und die Übernachtung in der Meidlinger Mansarde berichtet/geschrieben/gefaxt/gemailt?
Woher kennt der Absender Noras (zumindest) ungewöhnliche Lebensumstände?
Fühlt sie sich in letzter Zeit beobachtet oder verfolgt?
Hat sie oder ihre Zofe in der letzten Zeit vermehrt anonyme Anrufe von Männern erhalten? Wenn ja: welchen Inhalts?
Kam anonyme Post? Wenn ja: an welche Adresse? Welchen Inhalts?
Auf diesen Fragenkatalog, werte Freunde, hätte ich gern ehebaldigst klare Antworten. Dann erst wissen wir mehr und was nun zu tun ist,
Trash, Doktor
P.S.: Wie ich aus der Homepage der »Wr. Literatur- Agentur« erfahren habe, hast Du, werter Trainer, vor Deinem letzten längeren Teneriffa-Aufenthalt Lesungen und Schüler-Diskussionen in diesen drei Wr. Bundesgymnasien abgehalten: BG 13, Astgasse (27.9.), BG 6, Rahlgasse (30.9.) und BRG 15, Henriettenplatz (3.10.).
Sollte uns das nicht zu denken geben? Im Konkreten: Dir!?
Dem Trainer geht jetzt, kurz nach halb zwei, ganz was anderes durch den Kopf.
Er überlegt laut, ob das Wiedersehen mit Nora eventuell kein Zufall gewesen ist, sondern vielleicht in einem viel größeren, spirituellen Zusammenhang gesehen werden muß.
»Wovon sprichst du, Trainer?« frage ich. »Der Kreis schließt sich? Deine erste Flamme beschließt nach einem Delay von über 25 Jahren endlich zu zünden? Stell dir das einmal vor: du und die erneuerte Nora, plus kapriziöser Zofe. Das wird unter Garantie nicht die >Liebe Familie<.«
»Du magst sie nicht«, sagt der Trainer zu
Weitere Kostenlose Bücher