Kurt Ostbahn - Schneeblind
Wisch und die Fotos. Ganz bestimmt. Vielleicht soll ihr die Scheißnadel bei einem Festakt überreicht werden, wie das bei Ehrennadeln so üblich ist.«
»Wahrscheinlich«, sage ich.
Schweigen. Warten. Stauen.
»Oder es gibt gar keine goldene Nadel«, denkt der Trainer laut. »In dem Schrieb steht neunschwänzige Katze in Gold, und eine neunschwänzige Katze is bekanntlich weder ein Fabelwesen noch ein mutiertes Haustier, sondern ... ?
»Sondern?«
»Ein Züchtigungsinstrument, eine Peitsche mit neun schweren Lederriemen. Sehr effektiv, überaus beliebt. Ein Klassiker, quasi. Aber Anfängern nicht unbedingt zu empfehlen. Akute Verletzungsgefahr, da nicht einfach im Handling.«
»Alles klar«, sage ich. Wenn der Trainer so weiter macht und sich auf dem zweiten Bildungsweg nun das ABC der bizarren Erotik reinzieht wie seinerzeit die Diskografien von Dylan, Springsteen oder den Clash, dann könnte er in der Hardcore-Ausgabe der »Millionenshow« locker den Hauptgewinn von zehn Mille abräumen und müßte nie mehr wieder in seinem Leben einen schlecht bezahlten Songtext, Tatsachenroman oder Cliffhanger für »Gerda In Distress« schreiben. Er könnte auf Teneriffa Kakteen züchten oder Biber in Kanada, Lachse in Schottland oder Orchideen im Glashaus einer Villa in der Hinterbrühl. Aber was weiß man, vielleicht interessiert das den neuen Trainer gar nicht. Vielleicht hab ich ihn die längste Zeit schon völlig falsch eingeschätzt, und sein zweitgrößter Lebenswunsch ist es gar nicht mehr, mit Willie Nelson in Pedernales, Texas, eine Partie Golf zu spielen.
Jetzt denkt er jedenfalls wieder laut, lauter als ich:
»Wenn diese frohe Botschaft nicht vom Kreuzschinder stammt, was mir irgendwie einleuchtet, wer hat dann ein Interesse dran, mich in den ganzen Scheiß mit reinzuziehen? Jemand, der viel über Nora weiß, die Bilder aus ihrem Büro gestohlen hat, zum Beispiel heut früh, als er dort eingebrochen hat und von Gerda überrascht wurde, der aber nicht wirklich mit ihren Lebensumständen auf du ist und daher der irrigen Meinung, daß sie bei mir in der Mansarde wohnt und nicht drüben am Grünen Berg, oder?«
Ich bin überrascht. Der Trainer ist trotz kreativer Trance, Distress-Stress und Faxterror zu vernünftigen Überlegungen und komplizierten Fragen fähig.
»Oder alles is ganz anders«, sage ich, »und es gibt gar keinen Kreuzschinder, der Nora nach dem Leben trachtet, und Nora und ihre nette Zofe halten uns schon die ganze Zeit massiv am Schmäh, wollen uns für ihre Interessen einspannen, also in erster Linie dich, weil du dafür eine gute und dankbare Adresse bist, Trainer, während sie ihre prominente Kundschaft mit den Bildern aus ihrer Fotogalerie erpressen. Und jemand, der darüber Bescheid weiß, will uns, oder besser dich, Trainer, mit diesen Unterlagen davon in Kenntnis setzen. Eines der Erpressungsopfer vielleicht. Versteh mich nicht falsch, Trainer, ich machs wie du. Ich denk nur laut.«
Der Trainer nickt abwesend mit dem Kopf. Ich glaub, er hat mich gar nicht gehört.
»Oder es gibt einen echten und einen falschen Kreuzschinder, wenn du weißt, was ich mein, Kurtl.«
»Nicht direkt«, sage ich, weil mir grad was wiederum ganz anderes einfällt und die Wortmeldung des Trainers meine Kreise stört. »Wer hätte denn was davon, dir oder Nora dieses schwachsinnige Dankesschreiben unter der Tür durchzuschieben, mit einer goldenen Katze oder Peitsche zu winken und die sechs Fotos beizulegen, die dich und vier Promis in Noras Erlebniswelt zeigen? Das Kreuzschinder-Bild ist eindeutig nicht aus derselben Serie. Das sieht aus wie die verschwommene Kopie einer Kopie eines schleißigen Polaroids, und es zeigt als einziges keine telegene, prominente Visage, sondern ein hageres, männliches Hintergestell voller Narben, Schwielen und blauer Flecken. Was wiederum auf Hannes Kreuzschinder hinweist, denn genau so hat mir Nora die fotografischen Beweise seiner von ihr angeordneten Züchtigungen beschrieben. Also, noch einmal: Wer hat was davon, dir oder Nora diese nette Kollektion ins Haus zu liefern? Doch nur jemand, der weiß, daß du weißt oder Nora weiß ...?«
»Also doch der Kreuzschinder?« erkundigt sich der Trainer und rauft sich das Haar. »Der echte oder der falsche?«
»Ich weiß es nicht«, sage ich. »Deswegen red ich doch mit dir, Trainer. Denk nach. Streng dich an. Erzähl mir alles, was dir dazu einfällt.«
»Der Doc«, sagt er nach langem Grübeln und Schweigen.
»Und was ist mit
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