Kurt Ostbahn - Schneeblind
zu werden. Der Trainer ist hellauf begeistert, seine Augen kriegen den alten Glanz, den ich die letzte Zeit schwer vermißt hab, wenn das Gespräch auf unser gemeinsames musikalisches Projekt gekommen ist, und es sprudelt nur so aus ihm heraus, was Donna/Gerda so alles zustoßen würde bei ihren Abenteuern, und daß Nora eine sensationell böse Spionin in sensationell geilen Kostümen sein wird, und wegen der Filmmusik sei man — unter dem Siegel der Verschwiegenheit — bereits mit dem Ricky Gold im Gespräch, der durch seine Arbeit an dem TV-Soundtrack genau der richtige Mann für diese schöne, aber auch schwierige Aufgabe sei.
»Und du kennst dich da so gut aus, in dem Metier?« frage ich den Trainer.
»Der Karl May hat auch Im Lande des Mahdi geschrieben, drei Bände, und war nie im Sudan.«
Ein kühner Vergleich.
Jedenfalls weiß ich jetzt, was Nora gemeint hat, als sie nach unserem frühen Frühstück von ihrem kleinen Geheimnis mit dem Trainer gesprochen hat, und ich werd viel drüber nachdenken müssen, wie sich diese Enthüllung mit meinem bisherigen Trainerbild in Einklang bringen läßt. Als hätt ich nicht schon genug zu kiefeln an den Abgründen der menschlichen Existenz.
»Also hat euch im Grunde nach all den Jahren die Liebe zur Literatur wieder zusammengeführt«, sage ich, um das Thema vorerst, wenn schon nicht aus dem Sinn, dann zumindest vom Tisch zu haben.
»Kann man so sagen«, sagt der Trainer.
»Und in welchem Zusammenhang is es zu einer Wiederaufnahme eurer alten Beziehungen gekommen, wenn ich fragen darf?«
»Rein zufällig. Beim Surfen. Auf Teneriffa«, sagt der Trainer und raucht sich eine Smart an.
»Du surfst nicht, Trainer«, sage ich. »Du hast noch nie in deinem Leben Sport geschaut, geschweige denn ausgeübt. Also red keinen Scheiß.«
»Beim Surfen, im Internet, auf Teneriffa. Wie mir fad war. Da hab ich sie zufällig gefunden, auf ihrer Homepage, die Nora. Zufrieden?«
25
DER TRAINER, NEU.
Es ist gegen halb fünf an schon wieder einem Tag, dem nie so richtig das Licht aufgegangen ist. Und der kalte Ostwind hat dicke graue Schneewolken knapp über den Dächern der Stadt zu einem unheilvollen Haufen aufgetürmt, an dem William Turner seine Freude hätte. Warum sich ausgerechnet immer bei Mir-fällt-der-Him-mel-auf-den-Kopf-Bedingungen die schlechtesten Autofahrer Wiens auf den am meisten überlasteten Verkehrsadern zu ihrer Leistungsschau zusammenfinden, gehört zu einem der vielen ungelösten Rätsel, die mich momentan nur peripher beschäftigen.
Wir sind an sich in Eile, der neue Herr Trainer und ich. Aber seit zirka zwanzig Minuten ist auf dem Inneren Gürtel, Höhe Westbahnhof, kein Weiterkommen. Der Trainer ist ausnahmsweise unschuldig. Es sind seine Kollegen, die mit ihren hirnlahmen Entscheidungen den Rush-hour-Verkehr lähmen. Der Trainer leidet am Steuer seiner froschgrünen Rostlaube, und ich leide neben ihm. Natürlich war zu dieser Tageszeit und bei diesem Wetter kein Taxi aufzutreiben, also mußten wir den Trainer-Boliden nehmen, denn der Doc wartet — auf uns, die Fotos und Kreuzschinders jüngste Botschaft. Laut Trash brennt der Hut, und noch dazu sieht es gar nicht gut aus. Mehr ins Detail wollte er am Telefon nicht gehen.
»Nur so viel«, gab er uns mit auf den Weg in die Kirchengasse. »Ich hatte vor zirka zwei Stunden das ausgesprochene Vergnügen, mit Herrn Werner Kohout zu plaudern. Die Aufzeichnung dieses Telefongesprächs würde ich euch gern vorfuhren.«
»Du hast den Kreuzschinder angerufen?« fragte ich.
»Irgendwie muß ich mich ja nützlich machen, wenn mich das Virus in die Matratzengruft zwingt«, meinte der Doc. Dann legte er auf.
»Also wenn du mich fragst, Trainer«, sage ich, um ihn von der endgültig ins Stocken geratenen Blechlawine abzulenken, die seinen Blutdruck merklich in gesundheitsgefährdende Höhen treibt. »Das war nicht der Kreuzschinder. Das war nicht der Werner Kohout. Der sendet auf einer ganz anderen Welle ein ganz anderes Programm.«
»Aha«, sagt der Trainer. »Und welches Arschloch geht der Nora, der Gerda und mir dann ständig auf den Arsch?«
»Der Kreuzschinder gründet keinen Club Severin und hat auch keine goldenen Katzen zu verschenken. Apropos: Wo is eigentlich die Nadel?«
»Welche Nadel?«
»Die goldene Ehrennadel, die der Fanclub unserer Nora verliehen hat«, sage ich und halte überflüssigerweise Nachschau in dem Umschlag mit der Trainerpost.
»In dem Kuvert war sie nicht. Da waren nur der
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