Kurt Ostbahn - Schneeblind
Heimlichtuer war und später ein falscher Fufziger, der glaubt, wenn man es unter der Tuchent macht, kanns der liebe Gott nicht sehen, aber der Herrgott sieht und hört alles, und er bestraft die Schuldigen und beschenkt die Unschuldigen, aber manchmal irrt sich der Herrgott, wie im Falle der bösen, bösen Michaela, die nach Herzenslust böse und gemein und eine Schlampe sein darf, und dabei verheiratet und Mutter von drei Kindern, und deshalb wird sie jetzt in die Küche gehen, die böse, böse Michaela, eine Salatgurke holen und ein Messer, die Gurke abschälen und dann mit ihrem beinamputierten Bruder verfahren, als wäre er eine Frau. Haben Sie das alles, Dottore? Ja? Mitgeschrieben oder auf Band?
DOC: Alles. Ja ... Wann hat Michaela das zuletzt getan?
KOHOUT: Wann? Wann? Seit dem 21. August 1973, so gegen 23 Uhr. So, und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich muß mich um den Hannes kümmern. Sie kennen ja den Hannes. Er versaut mir wiederum das Bettzeug, wenn ich mich nicht um ihn kümmere. Er braucht so viel Pflege, rund um die Uhr. Aber andererseits. Wozu is man die Schwester, nicht?
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COPYCAT.
»Und was lernen wir daraus?« frage ich Trainer und Trash, nachdem der Doc das Band abgestellt hat. »Wer mit einem Bänderriß daheim liegt und wie ein Bauchredner zwischen den Personen seines verpfuschten Lebens switcht, der kann nicht gleichzeitig eine Mondo-Kassiererin überfallen und würgen, auch wenn eine der Damen und Herren in seinem Kopf das gern täte.«
»Und er kann nicht bei mir ums Haus schleichen und Post unter der Tür durchschieben, während er mit dem Doc telefoniert«, merkt der Trainer an und richtet eine dringliche Anfrage an Doktor Trash: »Und das mit dem Unfall stimmt?«
»Laut Meidlinger Unfallkrankenhaus wurde er letzten Donnerstag gegen 11 Uhr 30 in die Ambulanz eingeliefert, Diagnose: Bändereinriß am linken Fußknöchel. Gegen 14 Uhr mit einem Liegegips in häusliche Pflege entlassen, wiederbestellt zur Kontrolluntersuchung am kommenden Dienstag, 8 Uhr 30, Krankentransport durch den Arbeitersamariterbund«, referiert der Doc.
Er thront im Fu-Man-Chu-Morgenmantel in seinem Cockpit und macht einen verblüffend gesunden, beinah rosigen Eindruck. Das liegt aber vielleicht daran, daß ich soeben (einmal mehr in den letzten paar Tagen) Ohrenzeuge einer tatsächlich beängstigenden Krankengeschichte wurde. Im Datenheim herrschen wieder normale Temperaturen, aber der Duft von Eukalyptus und Kampfer hängt noch in den Räumen.
»Sollten wir nicht im Spital anrufen und den Knochenflickern in der Unfallambulanz ausrichten, daß der Kohout keine häusliche Pflege hat? Der hat denen garantiert erzählt, daß seine Schwester auf ihn schaut, was so ja nicht der Fall ist«, sage ich.
»Bereits geschehen«, sagt der Doc. So viel Anteilnahme hätte ich dem guten Mann gar nicht zugetraut. Aber Irrtum ist momentan anscheinend mein zweiter Vorname. Oder Fehleinschätzung.
»In welcher Camouflage bist du dabei aufgetreten? Als Doktor Jablovsky von der Baumgartner Höhe? Du weißt eh, Doc, daß du dich mit dem Telefonat strafbar gemacht hast. Das war ein klarer Fall von Amtsanmaßung ...«
»Wenn es der Wahrheitsfindung dient, sollte uns beinah jedes Mittel recht sein«, meint der Doc, »denn irgendwie müssen wir schließlich den Mangel an Personal und Befugnissen kompensieren. Nur zu deiner Beruhigung, Trainer: Kohouts Einweisung in die Unfallstation hab nicht ich, sondern Frau Michaela Strohberger, geborene Riebel veranlaßt. Ich hab sie nach meinem Gespräch mit Kohout angerufen, als Hassan vom syrischen Lebensmittelladen, der schwer in Sorge ist um seine Kundschaft. Die gute Frau ist Mitbürgern mit orientalischem Zungenschlag nicht unbedingt wohlgesonnen, hatte ich den Eindruck. Aber kurz vor eurem Eintreffen hat sie zurückgerufen, um zu bestätigen, daß Werner Kohout inzwischen in spitalsärztlicher Obhut ist, und hat alle Lebensmittellieferungen bis auf weiteres storniert. Für allfällige aushaftende Rechnungen ihres Halbbruders sei sie nicht zuständig, hat sie Hassan mitgeteilt. Wie auch immer. Eine für Kohout erfreuliche Wendung in einem Fall, der wohl nicht länger als Fall Kreuzschinder in den Akten geführt werden kann. Ich würde meinen, wir wurden von Anfang an Opfer eines sehr sorgfältig und detailgenau geplanten Täuschungsmanövers. Jemand, der Übles vorhat mit Madame Nora, Zofe Gerda und/oder dem Trainer hat versucht und versucht immer noch, unsere Aufmerksamkeit und den
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