Kurt Ostbahn - Schneeblind
falsche Frau verlieben, und statt der eigenen Fernsehserie gibt’s keine Tantiemen und ganz viel Liebeskummer. Und auch die höchst lukrative Verwertung der ganzen Nebenrechte bleibt mir versagt: kein Merchandising (Ostbahn-Sammelkarten, Ostbahn-Detektiv-Kits, Ostbahn-Hubertusmäntel), keine Lizenzen von der Software-Industrie für interaktive Ostbahn-Computerspiele für den PC oder diverse Spielkonsolen.
Ich hatte bisher immer nur das Grauen, das Warten, den Undank. Und weil George Lucas die endlosen Weiten der Galaxis mehr am Herzen liegen als die westlichen Vorstädte Wiens, wird sich auch in Zukunft daran nix ändern.
Außerdem ist Detektivarbeit vor allem Fußarbeit. Viele leere Kilometer. Egal ob daheim im eigenen Hieb oder draußen auf dem Daten-Highway. Und der Job kostet. Zeit. Enorm viel Zeit, und die wird verdammt knapp, wenn man das Frühpensionsalter ansteuert. Und er kostet Geld. Was eigentlich kein Thema sein sollte, weil man ja für das Gemeinwohl auf der Pirsch ist. Ohne Lizenz, ohne Befugnis. Aber leider auch ohne Spesenkonto. Und der Job kostet Nerven, vor allem im Umgang mit Ämtern und Behörden, namentlich der Bundeskriminalpolizei.
Ja, und wenn’s ganz blöd hergeht, dann kostet er sogar das Leben.
Es ist 19 Uhr 36. Die kesse Nanny im Zebra-Mini hat unseren Innenpolitikern Platz gemacht, und ich treffe eine einsame Entscheidung, die ich vier Minuten später unmöglich länger für mich behalten kann.
»Ostbahn«, teile ich dem Anrufbeantworter mit, der mir dringend rät, vernünftig zu sprechen oder ein Fax zu schicken oder noch besser ein E-Mail.
Der Doc hebt ab.
»Folgendes«, sage ich.
»Ich schau mir grad die Nachrichten an. Degoutant. Und außerdem hab ich 38, 9!«
»Essigpatscherln«, rate ich dem Doc. »Essigpatscherln helfen immer. Zumindest bei hohem Fieber. Ob sie auch bei politischem Unwohlsein greifen, darüber liegen mir leider keine Forschungsergebnisse vor.«
»Du hast mich sicherlich nicht angerufen, um mich mit deinen Schnurren aufzumuntern, Kurt! Falls doch, kann ich dir verraten: Es wird dir nicht gelingen!«
»Sorry, Doc«, trage ich seinem offenbar tatsächlich schwer angeschlagenen Gesundheitszustand Rechnung. »Ich wollt eigentlich nur kurz mitteilen, daß mit meiner Mitarbeit an der Klärung des Trainer-Falles von jetzt an voll gerechnet werden kann. Vorausgesetzt, unsere Ermittlungen lassen sich mit meinen beruflichen Verpflichtungen halbwegs unter einen Hut bringen, und ich krieg von dir und dem Trainer alle Informationen, die man mir bisher vorenthalten hat.«
»Wieso glaubst du das?« erkundigt sich der Doc.
»Weil ich es weiß«, sage ich. »So was hat man, wie der alte Brunner immer gesagt hat, im Urin.«
»Es gibt da tatsächlich was, das mir Kopfzerbrechen bereitet«, sagt der Doc mit schwacher Stimme, »und vielleicht könntest du der Frage nachgehen?«
»Die da wäre?«
»Der Trainer hat bei seinem heutigen Besuch an meinem Krankenlager eine gewisse Nora erwähnt. Er hat diese Frau am Flughafen von Teneriffa kennengelernt, sagt er, und ein paar Tage nach seiner Rückkehr hat sie auf seiner Couch in Meidling genächtigt. Angeblich wegen einer Evakuierung in Folge eines Zimmerbrandes in ihrer Nachbarschaft.«
»Nora?« frage ich. »Nie gehört. Zumindest nicht in Zusammenhang mit dem Trainer.«
»Der Trainer hält sich, was diese Frau betrifft, mir gegenüber auffallend bedeckt. Außerdem danke ich dir für deine kluge Entscheidung. Denn die Zeit drängt. Und jede helfende Hand ist willkommen, wenn wir dem potentiellen Killer zuvorkommen wollen. Mein Vorschlag: Du nimmst auch gleich die Einladung dieser Weltuntergangs-Künstler wahr. Heute um 22 Uhr. Henriettenplatz. Das ist quasi bei dir ums Eck. Und ich stelle dir einstweilen ein Dossier zusammen, ausgehend von meinem bisherigen Wissensstand. Du findest meine Post um Mitternacht in deiner Faxablage.«
»Wunderbar«, sage ich. »Und was soll ich bei der Saukälte in dem Beserlpark? Wenn ich dich richtig verstehe, Doc, ist der eher ein Nebenschauplatz?«
»Ganz genau«, sagt der Doc, »aber wie wir wissen, werden auch dort oft entscheidende Schlachten geschlagen.«
»Verstehe«, sage ich.
4
ROTZ & WASSER.
In einer lauen Nacht im Mai mag der Henriettenplatz für Frischverliebte ohne eigene vier Wände ja so seine Reize haben. Die Fliederbüsche, die den Kleinkinderspielplatz nach drei Seiten begrenzen, sind als Liebeslaube durchaus brauchbar. Zumindest für eine schnelle Nummer. Und
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