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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ausweichend.
    «Möglich.»
    Aber die alte Dame ließ nicht locker.
    «Seit deiner Kindheit.»
    Er nickte widerstrebend.
    «Und dann kam Nevile und schnappte sie dir weg?»
    Er rutschte verlegen hin und her.
    «Ja nun, ich hatte wohl nie irgendwelche Aussichten. Ich bin für Audrey der gute alte Thomas, weiter nichts.»
    «Der getreue Thomas», lächelte Lady Tressilian. «Das war dein Spitzname, wie?»
    Auch er lächelte.
    «Seit Jahren hab ich das nicht mehr gehört.»
    «Vielleicht kommt dir das jetzt zugute.»
    Sie begegnete seinem Blick mit völliger Offenheit.
    «Treue ist eine Eigenschaft, die ein Mensch, der solche Erfahrungen gemacht hat wie Audrey, zu schätzen weiß. Manchmal wird Anhänglichkeit belohnt.»
    Thomas schaute auf seine Hände nieder, die mit der Pfeife spielten.
    «Mit dieser Hoffnung kam ich heim», bekannte er.

16
    Hurstall, der alte Diener, wischte sich die Stirn ab. Als er in die Küche kam, machte Mrs Spicer, die Köchin, eine Bemerkung über sein verstörtes Aussehen.
    «Wie soll es mir auch gut gehen», entgegnete er. «Alles, was in diesem Haus getan und gesagt wird, scheint in Wirklichkeit eine ganz andere Bedeutung zu haben. Begreifen Sie, was ich meine?»
    Mrs Spicer schüttelte den Kopf, und so fuhr er fort:
    «Als sich eben alle zu Tisch setzten, sagte Miss Aldin: ‹So, da wären wir›, und das klang, als habe ein Dompteur lauter wilde Tiere in einen Käfig getrieben und dann die Tür zugesperrt. Es kam mir plötzlich vor, als wären wir alle in einer Falle gefangen.»
    «Also, wissen Sie, Hurstall», erwiderte Mrs Spicer, «Sie müssen etwas gegessen haben, das Ihnen nicht bekommen ist.»
    «Damit hat es nichts zu tun. Es hängt mit etwas Unfassbarem zusammen, verstehen Sie? Vorhin fiel die Haustür ins Schloss, und da zuckte Mrs Strange – unsere Mrs Strange meine ich, Mrs Audrey Strange – zusammen, als hätte man auf sie geschossen. Und dann dieses Schweigen. Alle benehmen sich so sonderbar. Als ob sie Angst hätten, miteinander zu reden. Und plötzlich fangen alle zu sprechen an, sagen das Erstbeste, was ihnen einfällt.»
    «Ja, so was ist verwirrend», stimmte Mrs Spicer zu.
    «Zwei Frauen im Haus, die den gleichen Namen tragen. Ich finde das einfach nicht schicklich.»
    Im Esszimmer herrschte jenes Schweigen, das Hurstall soeben beschrieben hatte.
    Es bedurfte geradezu einer Anstrengung, dass Mary Aldin sich an Kay wandte und sagte:
    «Ich habe Ihren Freund, Mr Latimer, für morgen zum Abendessen eingeladen.»
    «Oh, schön», versetzte Kay.
    «Latimer?», ließ Nevile sich vernehmen. «Ist er denn hier?»
    «Er wohnt im Hotel Easterhead», gab Kay Bescheid.
    «Wir könnten mal einen Abend dort essen», meinte Nevile.
    «Wann geht die letzte Fähre?»
    «Um halb zwei», antwortete Mary.
    «Sicher wird im Hotel abends getanzt?»
    «Die meisten Leute dort sind hundert Jahre alt», bemerkte Kay.
    «Nicht sehr unterhaltend für deinen Freund», sagte Nevile zu Kay.
    Mary fiel rasch ein: «Wir könnten einmal zur Easterhead-Bucht gehen und dort baden. Das Wasser ist noch ganz warm, und der Strand ist sehr hübsch.»
    Thomas wandte sich leise an Audrey: «Ich wollte morgen segeln. Hast du Lust, mitzukommen?»
    «O ja, ich komme gern mit.»
    «Wir könnten alle segeln gehen», meinte Nevile.
    «Ich dachte, du wolltest Golf spielen», entgegnete Kay.
    Mary fragte Kay, ob sie auch spiele.
    «Ja, aber nicht sehr gut.»
    Nevile mischte sich ein: «Kay wäre eine sehr gute Spielerin, wenn sie sich ein bisschen Mühe gäbe. Sie hat einen prächtigen Schlag.»
    Kay richtete das Wort an Audrey: «Du treibst gar keinen Sport, nicht wahr?»
    «Nicht ernsthaft. Ich spiele Tennis, aber sehr schlecht.»
    «Spielst du noch immer Klavier, Audrey?», erkundigte sich Thomas.
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Nein, nicht mehr.»
    «Du hast ziemlich gut gespielt», bemerkte Nevile.
    «Ich dachte, du machst dir nichts aus Musik», sagte Kay.
    «Ich verstehe nicht viel davon», erwiderte er unbestimmt. «Ich hab mich immer gewundert, wie Audrey es fertigbrachte, mit ihren kleinen Händen eine Oktave zu greifen.»
    Er blickte auf Audreys Hände.
    Audrey errötete und versetzte schnell: «Mein kleiner Finger ist sehr lang. Das hilft.»
    «Dann bist du selbstsüchtig», erklärte Kay. «Bei selbstlosen Menschen ist der kleine Finger kurz.»
    «Ist das wahr?», lachte Mary. «Dann bin ich selbstlos. Da, ich habe einen ganz kurzen kleinen Finger.»
    «Ich glaube, dass du wirklich selbstlos bist», sagte

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