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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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hinuntergefallen sein.»
    «Wo? Warte, ich suche ihn…»
    Sie bückten sich beide. Plötzlich rief Nevile: «Halt still, Audrey! Mein Manschettenknopf hat sich in deinem Haar verfangen.»
    Sie rührte sich nicht, während er sich frei zu machen versuchte.
    «Au! Du reißt mir ja die Haare aus. Wie ungeschickt du bist, Nevile, mach doch ein bisschen rasch.»
    Der Mond schien hell genug, sodass die beiden Zuschauer sahen, was Audrey nicht sehen konnte: Seine Hände zitterten, während sie mit dem Silberhaar beschäftigt waren.
    Aber auch Audrey bebte – als ob sie plötzlich fröre.
    Mary zuckte zusammen, als eine ruhige Stimme hinter ihr sagte: «Entschuldigung…»
    Thomas ging an ihr vorbei und trat auf die Terrasse hinaus.
    «Kann ich helfen?», fragte er.
    Nevile richtete sich auf und entfernte sich von Audrey.
    «Danke, die Sache ist schon in Ordnung.»
    Er sah ziemlich blass aus.
    «Du frierst», bemerkte Thomas zu Audrey. «Komm herein und trink deinen Kaffee.»
    Kay und Ted tanzten nicht mehr.
    Die Tür öffnete sich, und eine große, hagere Frau, die ganz in Schwarz gekleidet war, trat ein. In ehrfurchtsvollem Tone sagte sie:
    «Lady Tressilian lässt grüßen, und sie würde sich freuen, wenn Mr Treves jetzt zu ihr hinaufkäme.»

18
    L ady Tressilian empfing Treves mit offensichtlichem Vergnügen.
    Es dauerte nicht lange, bis die beiden alten Leute Erinnerungen austauschten und über gemeinsame Bekannte plauderten.
    Eine halbe Stunde später stieß Lady Tressilian einen tiefen Seufzer der Befriedigung aus.
    «Ach, das war schön! Nichts geht über ein bisschen Klatsch.»
    «Ein wenig Bosheit verleiht dem Leben Würze.»
    «Was halten Sie übrigens von unserem Dreieck?»
    Treves schien ausweichen zu wollen.
    «Die zweite Mrs Strange ist eine sehr anziehende junge Dame», sagte er.
    «Audrey ebenfalls», erklärte Lady Tressilian.
    «Ja, sie hat Charme», gab Treves zu.
    «Wollen Sie mir etwa erzählen, dass Sie es verstehen können, wenn ein Mann Audrey, die ein Mensch mit seltenen Eigenschaften ist, um… um einer Kay willen verlässt?»
    Treves erwiderte ruhig: «Gewiss. Dergleichen geschieht oft.»
    «Schrecklich! Wenn ich ein Mann wäre, hätte ich Kay sehr bald über und würde es bereuen, so eine Dummheit begangen zu haben!»
    «Auch das geschieht oft. Eine plötzliche leidenschaftliche Verliebtheit ist selten von längerer Dauer», sagte Treves, der selber völlig leidenschaftslos aussah.
    «Und was geschieht dann?», fragte die alte Dame.
    «Meist gewöhnen sich die Beteiligten aneinander. Manchmal kommt es zu einer zweiten Scheidung. Dann heiratet der Mann manchmal zum dritten Mal – einen mitfühlenden Menschen.»
    «Unsinn! Nevile ist doch kein Mormone.»
    «Gelegentlich heiratet der Mann auch seine erste Frau wieder.»
    «Ausgeschlossen! Dazu ist Audrey viel zu stolz.»
    «Glauben Sie?»
    «Ich bin dessen sicher.»
    «Meiner Erfahrung nach hört bei den Frauen der Stolz auf, wenn es sich um Liebe handelt.»
    «Sie verstehen Audrey nicht. Nachdem Nevile sie verlassen hatte, wünschte sie ihn nie mehr wiederzusehen.»
    Treves hüstelte diskret.
    «Und doch ist sie hier.»
    «Nun ja», sagte Lady Tressilian ärgerlich. «Ich gebe zu, dass ich diese modernen Anschauungen nicht begreife. Wahrscheinlich ist Audrey nur hier, um zu beweisen, dass es ihr nichts ausmacht.»
    «Möglich. Das kann sie sich sehr gut einreden.»
    «Sie meinen, dass sie im Grunde noch an Nevile hängt, und dass… o nein! So etwas will ich nicht glauben!»
    «Eine Spannung ist jedenfalls vorhanden», sagte Treves bedächtig. «Sie ist fast greifbar.»
    «Sie fühlen sie also auch?», fragte Lady Tressilian scharf.
    «Ich bin verwirrt, das muss ich gestehen. Die wahren Empfindungen der Beteiligten bleiben verborgen, aber meiner Meinung nach hocken wir auf Dynamit. Die Explosion kann jede Minute erfolgen.»
    «Was lässt sich dagegen tun?»
    «Das weiß ich leider auch nicht. Irgendwo gibt es einen Brennpunkt, aber da er im Dunkeln liegt, lässt sich schwer sagen, wo man ansetzen sollte.»
    «Ich habe keineswegs die Absicht, Audrey zu bitten, abzureisen. Soweit ich es beurteilen kann, hat sie sich in dieser schwierigen Lage tadellos benommen. Sie war stets höflich, aber reserviert. Ihr Verhalten ist untadelig.»
    «Sicher, sicher», nickte Treves. «Aber trotzdem übt sie auf Nevile eine starke Wirkung aus.»
    «Nevile benimmt sich nicht korrekt. Ich werde mit ihm darüber sprechen. Aber ich könnte ihn keinesfalls an die

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