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Kurz vor Mitternacht

Kurz vor Mitternacht

Titel: Kurz vor Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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setzen.»
    «Er achtete sehr auf seine Gesundheit», berichtete Mrs Rogers. «Und wir ließen ihm alle Pflege angedeihen…»
    «Gewiss, gewiss, Mrs Rogers. Es ist allgemein bekannt, dass man bei Ihnen gut aufgehoben ist. Er muss sich irgendwie überanstrengt haben… vielleicht nicht genug geschlafen.»
    «Könnte ein einmaliges Treppensteigen in solch einem Falle den Tod herbeiführen?», erkundigte sich Mary.
    «Bestimmt. Wenn er die drei Treppen hier im Hotel hinaufgestiegen wäre, hätte das seinen Tod bedeuten können. Aber das wird er wohl kaum getan haben.»
    «Nein, er benutzte immer den Lift», versicherte Mrs Rogers.
    «Aber gestern, als der Lift nicht in Betrieb war…»
    Mrs Rogers blickte Mary erstaunt an.
    «Der Lift war gestern den ganzen Tag in Ordnung, Miss Aldin.»
    Thomas hüstelte.
    «Entschuldigen Sie. Ich brachte Mr Treves gestern Abend nachhause. Da hing ein Schild am Lift, auf dem stand: ‹Außer Betrieb›.»
    Mrs Rogers erstarrte.
    «Das ist aber wirklich sonderbar. Ich hätte doch etwas davon gehört, wenn der Lift nicht in Ordnung gewesen wäre. Seit… warten Sie… seit genau anderthalb Jahren hat der Lift nicht mehr gestreikt.»
    «Vielleicht hat einer der Angestellten das Schild angebracht, als seine Arbeitszeit um war?», meinte der Arzt.
    «Es ist ein automatischer Lift, Doktor, der keine Bedienung erfordert.»
    «Richtig, ja, das vergaß ich.»
    «Ich werde mal mit Joe reden», erklärte Mrs Rogers und verließ rasch das Zimmer.
    Man hörte sie draußen rufen: «Joe! Joe!»
    Dr. Lazenby blickte Thomas forschend an.
    «Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher, Mr Royde?»
    «Völlig sicher», erwiderte Thomas.
    Mrs Rogers kam mit dem Portier zurück. Joe bestätigte, dass der Lift am vergangenen Abend funktioniert hätte. Es gab ein solches Schild, wie Thomas es beschrieben hatte, aber es wurde unter dem Pult verwahrt und war über ein Jahr nicht mehr benutzt worden.
    Alle sahen einander an und stimmten darin überein, dass die Sache wirklich irgendwie seltsam war. Der Arzt meinte, dass einer der Hotelgäste sich vermutlich einen Scherz erlaubt habe, und wohl oder übel beließ man es dabei.
    Mary erfuhr von Dr. Lazenby, dass er von Treves’ Chauffeur die Adresse vom Anwaltsbüro des Toten erhalten hatte, mit dem er sich in Verbindung setzen wollte. Später würde er zu Lady Tressilian hinüberkommen und ihr wegen der Beerdigung Bescheid sagen.
    Dann eilte der viel beschäftigte Arzt fort, und Mary ging mit Thomas langsam zum «Möwennest» zurück.

22
    M an schrieb mittlerweile den zwölften September.
    «Nur noch zwei Tage», sagte Mary Aldin. Dann biss sie sich auf die Lippe und errötete.
    Thomas Royde betrachtete sie nachdenklich.
    «So fühlst du?»
    «Ich weiß nicht, was mit mir los ist», erwiderte Mary. «Nie in meinem Leben habe ich das Ende eines Besuchs so sehr herbeigesehnt. Gewöhnlich hatten wir immer eine fröhliche Zeit, wenn Nevile da war. Und auch wenn Audrey kam.»
    Thomas nickte.
    «Aber diesmal», fuhr Mary fort, «hat man das Gefühl, als säße man auf Dynamit… Deshalb sagte ich als Erstes heute Morgen zu mir: ‹Nur noch zwei Tage.› Audrey reist am Mittwoch, Nevile und Kay fahren am Donnerstag.»
    «Und ich am Freitag.»
    «Oh, dich zähle ich nicht dazu. Du warst ein Turm in der Brandung; ich weiß gar nicht, was ich ohne dich angefangen hätte.»
    Thomas sah erfreut, wenn auch etwas verwirrt drein.
    «Eigentlich weiß ich gar nicht, warum wir alle so… so nervös waren», sagte Mary. «Wenn es zu einer Szene gekommen wäre… nun ja, das wäre peinlich gewesen, aber lieber Gott, eine Katastrophe könnte man das auch nicht nennen.»
    «Man hat es eben doch noch anders empfunden.»
    «Ja. Die Spannung war einfach unerträglich. Heute Früh hat das Küchenmädchen gekündigt – ohne jeden besonderen Grund. Die Köchin ist gereizt, Hurstall darf man nicht antippen, und sogar Barrett, die gewöhnlich die Ruhe selber ist, zeigt, dass sie Nerven hat. Und all das nur, weil Nevile den lächerlichen Einfall gehabt hat, seine frühere und seine jetzige Frau zu Freundinnen zu machen und sein eigenes Gewissen zu beruhigen.»
    «Was ihm entschieden misslungen ist», flocht Thomas ein.
    «Ja. Kay ist gar nicht mehr die alte. Und wirklich, Thomas, ich kann mir nicht helfen, ich fühle mit ihr.»
    Mary machte eine Pause. Dann fragte sie:
    «Hast du den Blick bemerkt, den Nevile Audrey nachschickte, als sie gestern Abend die Treppe hinaufging? Er hat sie noch immer gern,

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