Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
irgendwie zu Mama, und ich sah sie wild und verwirrt seinetwegen. In seinen Wodkaaugen schwammen die Spiegelbilder von Mamas Augen, als sie gemeinsam vor dem Ger standen und gestikulierten, wo ich es doch nötig hatte, dass Mama an meinem Bett saß und meine Hand hielt, ich fürchtete, sie würde mit ihm weggehen und nie mehr wiederkommen.
Das ging mir im Kopf herum, wenn ich seine Blicke spürte, zum Beispiel beim Kochen oder am Abend nach dem Essen, wenn Schartsetseg schlafen ging und ich ihm gegenüber am Küchentisch saß und wartete, bis seine Stirn auf die Tischplatte plumpsen würde, dann nahm ich ihn beim Arm und schob ihn ins Nebenzimmer, wo Gelbe Blume schon tief atmete.
Erst wenn ich die Tür zu ihrem Zimmer geschlossen hatte und die Küche aufräumte, war Ruhe.
Ich streckte mich auf dem Sofa gegenüber dem Tisch aus, und gleich war wieder der nächste Morgen da.
Aus dem Guanz kam ich jedes Mal müde heim, mit schweren Beinen und heißen, roten Händen vom Waschen der Essschalen.
Ein Tag floss in den anderen, und alles außer den Sorgen wegen des Speiselokals wurde aus meinem Kopf irgendwohin geschwemmt. Unsere Familie in den Roten Bergen, meine Schule und meine Vorstellungen vom Leben in der Stadt, alles trieb davon, und ich wusste das, doch es ließ sich nicht ändern.
Ich war hier und brauchte Geld.
Erka und Purew waren sehr nett. Purew war groß, seine gestärkte Schürze, an der er sich die Hände abwischte, war ständig mit Nudeln und fettigem Schmutz bekleckert. Er sah aus wie ein riesiger Khan aus dem Märchen. Abends gab er mir immer die übriggebliebenen Chuuschuur, so hatten Mergen und Schartsetseg ihr Abendessen. Erka dagegen war zierlich und unglaublich schnell. Der Teig schwirrte nur so zwischen ihren Händen, und dazu beaufsichtigte sie auch noch mich, warf den Stammgästen ein paar Worte zu und half Purew, das Fleisch zu schleppen, um das er sich zu kümmern hatte. Es gab Monate, in denen ich lieber mit ihnen in der Küche war als zu Hause. Purew nahm mich manchmal auf den Fleischmarkt mit, damit ich ihm beim Aussuchen half, angeblich weil ich vom Land war und mich mit diesen Dingen auskannte. Ich kannte mich aber eher mit Tieren aus als mit Fleisch, für ihn war das das Gleiche.
Im Ger hatte ich das Fleisch gekocht, das mir Mama gab, und das Vieh tötete Papa. Das konnte er als Einziger, und er war geschickt dabei. Er legte das Schaf auf den Rücken und drückte es sanft mit dem Knie nieder, machte einen Schnitt am Bauch, steckte die Hand hinein und tastete sich langsam bis zum Herzen vor, das er mit den Fingern zusammendrückte,
dann wartete er, bis das Schaf einschlief. Die Hufe erbebten leicht, ein Zittern durchlief es, und es bekam glasige Augen, wurde traurig, und sein ganzer Körper erschlaffte. Das war’s schon. Es ging fast jedes Mal ohne einen einzigen Blutstropfen ab. Auf dem Fleischmarkt hingegen gab es eine Menge Blut. An langen Tischen voller enthäuteter Teile von Kühen, Schafen und Ziegen standen Weiber, priesen ihre Fleischstücke an und betasteten jeden Augenblick das Fleisch und drehten es um, damit es immer von der schöneren Seite zu sehen wäre. Männer in Schürzen tummelten sich mit Hackbeilen und langen Messern bei ihren Haken, um mit flinken Bewegungen abzuhacken, was jemand wollte.
Der Fleischmarkt befand sich in einem Barackenzelt, dort herrschte immer ein großes Gedränge. Ich begleitete Purew ganz gern dorthin, tat, als würde ich mich auskennen, und als ich nach ein paar Wochen meinen Mut zusammennahm, konnte ich mit einer geizigen Verkäuferin meinetwegen eine ganze Stunde um einen guten Preis streiten. Dann mussten Purew und ich uns schnell auf den Rückweg machen, weil jeden Tag massenweise Leute ins Guanz kamen und Erka es über Mittag allein kaum schaffen würde.
Manche Mongolen kehrten nur einmal ein, andere kamen häufig. Wir kochten gut, schummelten bei den Chuuschuur mit dem Mehl nicht so viel wie andere Garküchen, unsere Buuz enthielten wenig Knorpel und waren gut gewürzt. Ich hätte doch nicht auf den Gedanken kommen können, dass Bjamchu wegen etwas anderem so oft zu uns kam.
Bjamchu war ein paar Jahre älter, und ich gefiel ihm.
Ich war schon siebzehn, aber in dem Punkt war ich wie ein kleines Mädchen. Zwar wusste ich Bescheid, manchmal gefiel
mir auch jemand, aber mehr war nicht. Bjamchu hielt durch, kam drei Monate lang jeden Tag zu uns, erzählte der ganzen Runde Witze, lachte und kaufte sich doppelte Portionen. Jedes Mal
Weitere Kostenlose Bücher