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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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Häuser, die immer ärmlicher und ärmlicher und allmählich kleiner wurden, bis wir in das Jurtenviertel hineinfuhren, das die ganze Stadt umklammerte wie ein unaufhörlich dicker werdender Ring, weil immer mehr Leute vom Land hierher ziehen.
    Ich dachte an Papa, wie er gesagt hatte, ich sollte achtgeben und in der Stadt niemandem trauen, und wie leicht es wäre, hier irgendwie schlecht zu enden. Ich überlegte, ob das hier ein schlechtes Ende bedeutete und wie man so eine Sache erkennt, kam aber zu keinem Ergebnis. Dass ich diesem Kulan nicht vertraute, war klar. Ich wusste nur, dass er mit mir schlafen wollte, genauso wie Mergen es gewollt hatte, den ich sofort durchschaut hatte, und in dem befriedigenden Gefühl, jetzt vielleicht ein wenig schlecht zu enden, keinesfalls aber jemandem auf den Leim zu gehen, rutschte mir der Kopf auf die Seite, und ein süßer Schlaf überkam mich.
    Die Einzigen, die mich enttäuscht hatten, waren Gelbe Blume und Bjamchu.
    Kolja setzte mich in seinem Ger aufs Bett und zog sich selbst die Hose aus. Ich half ihm bei meiner und ließ mich wieder küssen und an der Brust und zwischen den Beinen berühren, was Mergen nicht getan hatte, für mich war das jetzt das erste Mal.
    Ich überlegte, wie es ist, wenn zwei Menschen zusammen
sind und das jeden Tag machen, dann aber schien jemand ein Messer in mich zu stoßen, es war viel schlimmer als gestern, und ich begann zu schreien. Kulan deckte mir den Mund mit der Hand zu, eigentlich das ganze Gesicht, und so sah ich durch die Spalten zwischen seinen Fingern nur dieses rote verschwitzte Gesicht, wie er weiter hinauf- und hinunterschaukelte, und jetzt wusste ich deutlich, dass es das war, das Schlecht-Enden von Papa.

    Das einzige Glück war, dass ich an diesem Tag nicht ins Guanz musste. Als nämlich Bjamchu mich abholen gekommen war, flüsterte mir Erka von der Seite zu, wenn ich nicht wolle, müsse ich morgen nicht kommen, sie und Purew würden es allein schaffen, und sie zwinkerte Bjamchu verschwörerisch zu, wahrscheinlich, damit er auf mich achtgäbe und nett zu mir wäre.
    Am Morgen war niemand im Ger. Zwischen meinen Schenkeln tobte ein merkwürdiges Brennen, und auf dem Boden neben dem Bett lag ein Zettel mit einer Telefonnummer und einem Gruß von Kolja, eine Kanne mit lauwarmem Milchtee stand da, den er Burchan weiß woher gebracht haben musste, weil der kleine Ofen eiskalt war. Kolja wohnte wahrscheinlich irgendwo anders, in dieser Jurte gab es nicht viel.
    Ich wollte nicht weg, der Tee war sehr gut, und so legte ich mich wieder hin, drückte die Decke zwischen meine Knie und beobachtete durch die Rauchöffnung den Himmel, der so blau und bewegungslos war wie ein Stück aufgeklebten Stoffs. Als hätte jemand auf die Spitze des Ger ein Chadag geklatscht. Es war zum ersten Mal seit dem Tag, als ich die Roten Berge verlassen hatte, dass ich wieder vom Bett aus den Himmel betrachten konnte. Ich lauschte dem Rauschen des Grases
und schaute hinauf zu den orangeroten Stützstangen mit den Ornamenten, die sich wie eine Sonne mit Strahlen rund um das aus dem Filz ausgeschnittene Stück Himmel entfalteten.

    Der Sommer war bei uns immer die schönste Zeit gewesen. Die im Frühling geworfenen Tiere hatten schon das Schlimmste hinter sich und weideten an der Seite ihrer Mütter, die die ganze Zeit nicht den Kopf hoben, erst fast am Ende des neunten Monats, wenn der frostige Wind ersten zaghaften Schnee aus Sibirien herbeiwehte.
    Aber das war erst nachher.
    Im Sommer wusste niemand vom Winter.
    Mama ging in einem leichten Deel Zwiebeln und Knoblauch suchen, und wir waren barfuß, und niemand hatte rot entzündete Lider, weil es heiß war und man den Ofen daher nur zum Kochen heizte.
    Im Sommer übernachteten viele Leute bei uns. Zu der Zeit kehrten immer einige für eine Nacht oder ein Essen bei uns ein. Wenn sie kamen, gab Mama sich viel mehr Mühe, als wenn sie nur für uns kochte. Sie tischte eine Menge Nudeln auf, und auf der Suppe schwamm ein Finger hoch herrlichster Talg. Dann wurde Kumys getrunken, und Mama stellte eine gelbblaue Schale mit Bonbons auf den Tisch, die sie sonst irgendwo hoch oben versteckt hatte, damit wir Kinder sie nicht erreichten. In die bunten Papierchen packten nachher Nara und ich Steinchen ein und spielten Somonladen. Papa sprach mit dem Besuch über die Kaschmirpreise und den letzten Winter und wer wem geboren worden war und wie es wem aus den Nachbar-Ger ging.
    Manchmal kauften sie von uns Zigaretten oder

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