Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
Nara und ich sie verlacht hatten, wenn sie in die Decken pinkelte, weil sie es in der Nacht nicht mehr schaffte, vors Ger zu laufen, wie wir ihren Stock versteckt, wie wir gequiekt und ihr Gejammer nachgeahmt hatten. Und daher hat sie uns mit Magi nicht geholfen.
Nara war immer auf meiner Seite und ich auf der ihren gewesen. Wenn ich Ojuna quälte, ging sie, um Mama abzulenken, und wenn Magi ihr absichtlich ihr Lieblingslamm schor, gab ich ihr meines und setzte Magi Stinkkäfer ins Bett. Magi schlief allein, schon deshalb kriegte sie es ab.
Später steckte Mama ihr Ojuna ins Bett, als Papa es schon
ablehnte, mit einem Baby zu schlafen, und Ojuna während der Nacht nicht mehr zu trinken brauchte.
Damals jedoch waren die Zeiten unserer größten Freundschaft ohnehin vorbei.
Magi war kein Erliiz und musste nicht lernen, so klug wie ich und Nara zu sein. Heute gedenke ich ihrer nur im Guten, aber es ist das Gleiche wie mit Großmutter.
Beide sind tot.
In meinen Träumen stob Nara auf einem falben Pferd dahin. Seine Mähne wehte in ihr Haar, verflocht sich damit im Wind zu schmucken Zöpfen, und wenn sie zusammen dicht über die Roten Berge hinwegflogen, fegte der Pferdeschweif über die Gipfel, und ich hatte stets Angst, das Pferd würde sich an den scharfen Spitzen den Bauch aufschlitzen.
Alle sagten, Nara spiele mit dem Feuer.
Sie peitschte das Tier blutig, und wenn das Pferd im Baatargalopp vorwärtsstürmte, bis ihm die ausgerissenen Grasbüschel das Hinterteil färbten, ruckte sie mit den Zügeln und vollführte die steilste Wende, die die Steppe je gesehen hatte. Ich gaffte nur und kaute an meinem Deel herum, und Mama ging lieber hinein, um sich diese grässlichen Momente zu ersparen.
Das waren die Augenblicke, in denen ich Papa in größter Erregung sah. Die Pferde, die Nara ritt, hatten immer völlig zerrissene Lefzen. Sie steckte deswegen häufig Prügel ein.
Mit achtzehn wurde Nara Lehrerin. Während ich bekleckerte Schalen und Bestecke scheuerte, putzte sie in unserer Somonschule kleinen verschreckten Erstklässlern die Näschen.
Nachdem ich den Krankenhauskittel losgeworden war, fuhr ich zu ihr.
Nara unterrichtete die Allerkleinsten, sie brachte ihnen absolut alles bei. Einmal pro Monat kamen die Eltern, Nara sprach mit ihnen über die Kinder, und sie waren überrascht, dass das die Genossin Lehrerin sein sollte, von der ihnen ihre Sprösslinge immer so viel erzählten. Nara sah wie sechzehn aus, ansonsten aber lobte man sie. Wenn sie unterrichtete, machten keine Fleischstücke in der Klasse die Runde, niemand knabberte Bonbons, Nara brachte kleine Tiere und Blumen zum Herzeigen in die Schule mit, und elternlose Kinder nahm sie in den Ferien mit heim.
Das hatte Papa mir noch schnell sagen können, ehe ich vom Ger ins staatliche Bajanchongor-Spital aufbrach.
Nara war rasch gefunden. Die Schule kennen alle. Sie erzählte dann eine ganz andere Geschichte, und mir rief das die Unterredung mit Mama in Erinnerung.
Nara erzählte vom Klappern der Federbüchsen der Kinder, von Papierkügelchen, die sie auf sie schossen, von den dicken burjatischen Lehrerinnen, die es dort noch aus unserer Zeit gab und die ihre Unterrichtsnotizen kontrollierten, und von Müttern, die nichts anderes ihr eigen nannten als ihren kleinen Schatz und denen sie nicht sagen konnte, sie sollten diesen Schatz mit heimnehmen, weil sein Vater ein derartiger Trunkenbold war, dass ihr kleiner Mongole nicht fähig war, sich die kyrillische Schrift einzuverleiben, nicht einmal, wenn er sich zerrissen hätte.
Die Kleinen nannten Nara Orosmongol. Sogar für sie waren ihre blonden Haare ungewöhnlich, und Nara hing das ewige Erklären schon zum Hals heraus, sie hatte keine Lust, ihre Mutter vor den Kindern zu rechtfertigen.
Gelbe Blume hatte mir durch Erka ausrichten lassen, dass Nara jemanden hätte. Ich stellte mir einen kräftigen Mongolen
vor, der für Nara wilde Rappen zähmte und nach der Arbeit in einem großen Jeep vor der Schule auf sie wartete, jeden Tag mit einem anderen Geschenk. In Wirklichkeit kam sie mit einem leicht buckligen kleinen Russen, einem Landvermesser aus Tscheljabinsk. Er hielt Nara um die Taille und sprach von der landwirtschaftlichen Entwicklung und der Perspektive des mongolischen Nomadentums oder so.
Er hatte in Petrograd studiert, in seinem Leben noch auf keinem Pferd gesessen und wollte Nara nach Moskau locken.
Einmal machten Nara und ich einen Ausflug.
Die Kinder hatten wegen des Jahrestags der
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