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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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hatte ich Gelber Blume geschrieben, ich würde jetzt in der Küche wohnen, was aber bis auf die stickige Luft nicht so schlimm sei, und dass ich ihr für die Arbeit danke, weil ich mir allein keine hätte finden können, und dann noch, dass unser Guanz verschönert wäre und sie ihn sich einmal anschauen kommen solle, wenn sie wolle.
    Das mit dem neuen Guanz glückte nicht, aber es tat mir nicht so leid, weil die alte Schuhreparaturwerkstatt die Zwillinge aus unserem Somon kauften, die Zubehör für Autos verkaufen, und das war besser, als hätte sie uns irgendein Fremder weggeschnappt.
    Erka und ich suchten schließlich auf dem Dzach für unsere alten Tische neue abwaschbare Tischtücher aus, ich konnte
sie für rosa Fransen begeistern, die wir über der Theke anklebten. So sahen wir wie ein besseres Lokal aus, obwohl wir Chuuschuur für hundert Tugrik hatten wie die winzigsten windschiefen Imbissbuden, wo man die Essschalen überhaupt nicht wäscht und im Chuuschuurfleisch faschierte Mäuse und Kanalratten sind. Bei der Arbeit musste ich kaum noch nachdenken, so gut eingeübt war ich, und so dachte ich, eine Reibe, einen Lappen oder ein Stück Teig in der Hand, mehr und mehr über Nara und die anderen nach, und wie so der Herbst den Sommer und der Winter den Herbst ablöste, wusste ich, ich musste hin, in die Roten Berge, wenigstens für eine kurze Woche lang.

    Ich war damals schon vier Jahre in der Stadt und wusste nichts von unserem Ger. Nur Schartsetseg war einmal bei Mama und ließ mir durch Erka ausrichten, dass alle am Leben sind und Nara jemanden hat.
    Und es war genau zu der Zeit, als ich, begierig aufzubrechen, nur noch darauf wartete, bis es ein bisschen wärmer würde, dass Mergen auftauchte. Er war nüchtern, sagte mir, ich solle nicht fahren, dass Mama mich nie mehr sehen wolle, drückte mir Geld in die Hand, und noch bevor ich etwas sagen konnte, zog er mich plötzlich an sich in seine Arme, wie wenn man mit einem Ruck ein scheues Pferd fängt. Ich begann zu kreischen und mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen, ich fühlte, dass er mir nichts Böses wollte, es war dennoch nicht zu ertragen.
    Er ließ mich los, schrie, ich würde nichts begreifen, und jetzt sah ich ihn wieder in meinem Fiebertraum bei uns vor dem Ger. Er hatte damals geschrien genauso wie jetzt, und ich begann, Mama irgendwie zu begreifen. Warum sie mich jetzt nicht wollte und warum sie damals beinahe fortging.

    Manchmal, wenn ich nachts wach lag, von unten auf die Töpfe guckte und der Schlaf nicht kommen wollte, spielte ich das Dosenspiel. Ich stellte mir unsere verbeulte Blechdose vor, die wir im Ger für Aaruul und Kekse hatten, nur dass sie jetzt Briefe enthielt, geschrieben von jedem von uns. Meine eigenen kannte ich, aber die anderen waren geheim. Die Idee war mir gekommen, als ich während des ersten Jahrs in der Stadt dauernd zur Post ging, in meinem Fach nachschauen, und das Einzige, was in der ganzen Zeit für mich eintraf, war eine Ansichtskarte von Tschojbalsan, von Mama, sie hätten ein paar neue Pferde gekauft, das älteste Kamel wäre eingegangen, und im Somon hätte man das Kulturhaus geschlossen, weil ein Stück Decke heruntergefallen war.
    Ich wusste doch, dass sie log, weil das Vieh nur Papa so interessierte, und Mama war die Decke, wenn sie nicht gerade Ojuna getötet hatte, völlig egal. Mama interessierten das Ger und wir, und davon schrieb sie nichts. Dabei denkt man beim Kochen über eine ganze Menge nach, darauf war ich mit den Jahren im Guanz gekommen, und Mama musste das längst wissen.
    Was mit Papa war, wenn er seine ewig unfolgsamen Schafe suchte, weiß Burchan allein. Tagelang war er dann unterwegs und schlief in den Nächten, in denen der schwarze Himmel von Horizont zu Horizont voller Löcher zur Sonne ist, allein, weit weg von uns.
    Papas Brief in der Dose handelte von den Tieren und von Magi. Mama konnte er nicht trauen, und so konnte er sie auch nicht gernhaben. Ich und Nara waren beide Erliiz und Ojuna Mamas Liebling. Magi starb wie Dschingis Khan, ein tödlicher Sturz vom Pferd ist heldenhaft, besser als ein langsames Erlöschen unter Decken, nur ist mit siebzehn sogar
ein Tod wie der Dschingis Khans traurig, und das war auch Papa klar.
    Mama hätte von Ojuna geschrieben, weil ein Kind, das eine Frau zusammen mit den ersten grauen Haaren hat, immer sehr umhegt wird.
    An Magi konnte Mama nicht denken, wenigstens sprach sie nicht von ihr, und sie schnitt Papa immer das Wort ab, wenn er von ihr

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