Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe
eine richtige Ehefrau hatte sie an Stelle seiner Mutter seine ganze Kleidung zu ihrer Aufgabe gemacht. Am Morgen stand sie immer zeitiger auf, um alles für ihn vorzubereiten, und er wiederum ließ sie keine schweren Arbeiten verrichten. Schleppte sie Wassereimer, fuhr er sie sofort an, und sie musste sie absetzen.
Abends flüsterten sie einander Sachen ins Ohr, so wie damals im Kulturhaus, und legten den anderen laut dar, wie es in ihrem neuen Ger aussehen würde. Mitunter bemerkte ich, wie sie sich streichelten, aber vor uns taten sie es nicht. An all dem erkannte ich, dass es auch so sein konnte.
Die werden sich ihr ganzes Leben lang lieben, sagte einmal Ariuna, als sie zu Mama auf Besuch kam.
Und Burchan wusste schon damals, dass es nicht anders sein würde.
Nara kam schließlich zur Hochzeit. Sie wohnte zu der Zeit nicht mehr bei Chiroko. Schartsetseg hatte sie zu Purew gebracht, und Erka nahm Nara in ihr neues Guanz.
Die vielgerühmten Brüder aus unserem Somon waren nach großen Erfolgen pleite gegangen, und so war aus der ehemaligen, zu einem Verkaufslokal für Autozubehör umgebauten Schuhreparaturwerkstatt schließlich doch ein Guanz geworden.
Nara stellte sich angeblich genauso gut an wie ich. Schartsetseg wollte kein Mädchen mehr bei sich beherbergen, und daher hatte Nara im neuen Guanz hinter der Küche einen kleinen Raum nur für sich.
Was war ich begierig auf all diese Geschichten.
Nie zuvor war ich so neugierig und aufgeregt gewesen wie an dem Tag, an dem wir Nara erwarteten. Ich konnte nicht mehr schlafen. Ich zog den hübschesten Deel an und machte mich schön.
Papa lachte, er würde, falls ich heute nach einem Bräutigam Ausschau hielte, kein zweites Mädchen mehr verheiraten. Aber Nara ist der mir am nächsten stehende Mensch. Für wen sonst hätte ich mich damals herausgeputzt, wenn nicht für sie?
Die Begrüßung war verlegen.
Nara blickte zu Boden und ging dann schnell zu Mama bei ihren Töpfen. Die ganze festliche Stimmung fiel in sich zusammen wie ein Kamelhöcker in einem Hungerjahr.
All der Aufwand war nichts im Vergleich zu einem einzigen Wort von Nara, einem einzigen Blick, den sie mir schenkte. Aber sie tat nichts. Erst am Abend.
Als Erstes fragte sie nach ihren Kindern in der Schule. Einige von jenen, die sie unterrichtet hatte, waren schon weg, aber die meisten von ihnen hatte ich, und so bemühte ich mich, ihr alles zu erzählen und dabei nichts auszulassen. Sie interessierte sich dafür, ob der Direktor inzwischen erlaubte, über die Ferien Waisenkinder mit heimzunehmen, doch das wusste ich nicht. Ich erzählte ihr von Anra, dass Uuregma Ulantsetseg ein Baby mit einem Chinesen hätte, es ihr aber niemand verüble, weil sie ohnehin keinen anderen würde auftreiben können, und ich erzählte ihr von der Feier, und wie ich Najma und Ojuna in der Ecke gesehen hatte. Nara lächelte mir verschwörerisch zu und fragte, ob ich selbst jemanden hätte. Ich schüttelte den Kopf. Nara sagte, das wäre aber eine schöne Schande und machte eine Kopfbewegung in Richtung Ojuna. Wir schütteten uns aus vor Lachen. Beide waren wir weit älter als die Braut.
Die Hochzeit war überwältigend. Man sprach noch lange davon.
Wir kochten mehrere Tage lang und aßen mehrere Tage lang. Sämtliche Onkel und Tanten waren gekommen, außer Chiroko und Schartsetseg, alle Vettern außer Dschargal, sämtliche Cousinen, die unsere Sippe hervorgebracht hatte, und noch viele andere. Anra und Ulantsetseg mit dem kleinen Baldam kamen, alle von Ojunbat, dazu Batu, Gerle und Dawdscha, Majdar und Munchtsetseg, und noch andere stellten sich am zweiten und dritten Tag ein.
Das junge Paar bekam eine Unmenge Geschenke, und so hatte es Ojuna später mit dem Einrichten ihres Haushalts nicht schwer. Dann stellte man das Ger auf, die Gäste verschwanden nach und nach, und gesegnete Stille breitete sich wieder über der Steppe aus.
Kaum hatten für Mama die Sorgen mit dem Ausrichten der Hochzeit geendet, begann sie kleine Stiefel und einen Babydeel zu nähen, bis Ojuna sie schalt, sie solle es nicht beschreien. Mama hielt das Arbeiten jedoch über Wasser.
Wir sahen alle, wie gelb und gebeugt sie war. Andauernd steckte sie im Krankenhaus. Eigentlich wollten sie sie auf Dauer dort behalten, aber das hätte Mama umgebracht. Sie fuhr nur hin, wenn es nicht mehr anders ging. Nach der Hochzeit verbrachte sie mehrere Wochen dort. Fast alle Speisen waren ihr verboten und buchstäblich alles, was wir im Ger zu essen
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