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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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sie, sie konnte nur mit ihren Fingern spielen und wimmern wie unsere Nara.
    Ich erinnere mich, wie überglücklich Soldoo war, als sie lernte, allein zu essen.
    Uns kam das dumm vor. Ojuna kochte zu der Zeit schon, aber wir wussten, dass wir nicht lachen durften.
    Die Kleine starb im vorvorjährigen Winter.
    Soldoo weinte zwar, aber alle anderen atmeten auf. Ich glaube, schuld daran war, dass Soldoo für ein Kind schon zu alt gewesen war, es im Bauch nicht mehr gut zusammenbringen konnte.
    Nara musste geahnt haben, dass Chiroko sie holen kam,
weil sie ums Ger herumrannte und sich nicht einmal von Dschargal fangen ließ. Dann stolperte sie aber und brach in Schluchzen aus. Dschargal sprang herbei, packte sie, und wir ließen sie nicht mehr los.
    In dieser Nacht gingen wir erst gegen Morgen schlafen. Nur Nara döste an Papas Schulter, und Papa schrie auf, er würde sie nirgendwohin lassen, es solle sich einer getrauen, seine Tochter anzurühren, und er hatte ein Messer in der Hand. Chiroko redete bedächtig und langsam, und sobald Papa mit dem Geschrei anfing, verstummte sie. Mama pflichtete ihrer Schwester bei, murmelte zustimmend und nickte. Ojuna und ich hatten keine Meinung. Dschargal wollte etwas sagen, doch ein einziger Blick von Chiroko reichte, dass er verstummte. Najma hatte sich ganz in einer Ecke verkrochen und dachte wahrscheinlich an sein Ger, wo sein Vater nie das Messer gegen jemanden gezückt hatte und seine Mutter keine Hexen holen ging.
    Chiroko und Mama ritten am nächsten Tag gleich nach Tagesanbruch mit Nara fort. Der Himmel war bleiern, und über den Bergen hingen wartend Wolken voller Flocken. Wir schliefen noch, und bevor ich mich aus meinen Decken gearbeitet hatte und vors Ger gelaufen war, um zu winken und eine gute Reise zu wünschen, waren sie schon weg. Dichter Nebel wälzte sich über die Steppe, und ich ahnte in der Ferne drei vermummte kleiner und kleiner werdende Gestalten.
    Dschargal blieb noch ein paar Tage, half Papa, die Schafe aus den Bergen herunterzutreiben, und verschwand dann. Niemand von uns hielt ihn zurück. Papa schrieb Ariuna ein Dankschreiben, weil Dschargal bei der Arbeit immer gewissenhaft gewesen war und viel geleistet hatte, und ich glaube, er hat ihm sogar Geld gegeben.

    Najma blieb.
    Wir brauchten ihn, und er hatte nichts dagegen. Und so fing für ihn bei uns das zweite und dann das dritte Jahr an. Nara war die ganze Zeit fort. Anfangs fuhr Mama alle paar Monate zu Chiroko und zurück und brachte bruchstückhafte Nachrichten mit. Ich glaube, dass Chiroko ihr mehr erzählte, aber Mama behielt es für sich. Sicher war, dass Nara aus der Sache lange nicht herauskommen konnte.

    Im neuen Schuljahr trat ich den Dienst in der Schule an.
    Ich packte meine Sachen in Naras Taschen und quartierte mich in ihrem Zimmer ein. Sich mit Kindern abzugeben ist besser, als in einem Guanz Essschalen zu waschen und Milchtee zu verschütten. Lehrerin ist auch ein weit angesehenerer Beruf. Bald kannten mich alle im Somonzentrum und begegneten mir mit Respekt.
    Ich war zweiundzwanzig, hatte aufgehört, kindisch herumzutollen und bunte Schleifen zu tragen, und hätte ich Kinder gehabt, hätten mich sogar die alten Frauen bereits als eine von ihnen zu akzeptieren begonnen. So musste ich immer geduldig ihre langen Reden anhören und ruhig sein. Die alten Frauen waren nie in der Stadt gewesen, und ihre Ratschläge waren zu nichts zu gebrauchen.
    Am liebsten von allen im Somonzentrum hatte ich Anra, die mir und Nara ihre zwei Pferde geborgt hatte, als Nara noch eine von uns war und ich sie besuchte. Anra und ich bildeten auch, nachdem genug Geld beisammen war und die Männer das Dach mit neuen Holzpfosten verstärkt hatten, im Kulturhaus des Somon eine Gesangsgruppe für Kinder. Zweimal wöchentlich kamen hier ein paar von den Kleinen zusammen, hin und wieder veranstalteten wir auch einen Auftritt
für die Eltern. Anra konnte die Morin Chuur spielen und die Limbe blasen, und ich schrieb die Worte an die Tafel und überwachte, ob alle schön laut sangen und das, was sie sollten. Anra wohnte nicht weit von dem Haus, das die Schule uns Lehrerinnen zur Verfügung stellte, und so igelten wir uns an den Abenden ein und erzählten einander alles. Anras Mutter hielt sich wenig zu Hause auf, sie hatte was im Somonpräsidium zu tun, und Anras Vater war seit eh und je fort gewesen. Es war niemand da außer uns. Nur ihr Großvater und ihre Großmutter lagen immer hinten im Bett. Anra hat es gesagt,

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