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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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gewesen.

    Man sperrte gerade den Markt auf. Aus vollgestopften Autos wurden Kartons mit T-Shirts, Windjacken, Messerscheiden, Kämmen, Essschalen, Handschuhen, Zigaretten herausgetragen, außerdem ganze Pferdegeschirre, Fernseher, einfach alles. Die Händler bauten die Stände auf, füllten sie mit Waren und standen dann daneben und rieben sich die kalten Hände. Zwischen den Ständen drückte sich eine Alte mit einer Schachtel Chuuschuur herum, und die Verkäufer schickten sie von einem zum anderen weiter.
    Auch mich warfen sie sich zu wie eine heiße Kartoffel. Arbeit gab es bei keinem, aber jeder hielt mich auf und wollte irgendein Gespräch führen.
    Am Abend rief ich Kulan an. Den Mann, mit dem ich unter den Fransen des gewobenen Dschingis Khan gesessen hatte, hatte ich nicht vergessen, auch nicht den Milchtee damals in der Früh. Bevor ich mich dazu entschloss, war der Zettel mit seiner Nummer so zerknittert, dass sie fast nicht mehr zu lesen war. Er musste überrascht gewesen sein, dass ich seine Nummer immer noch hatte, zuerst brummte er etwas und wollte nicht viel reden, schließlich aber kam ein Mann zum Markttor, um mich abzuholen, er sei von Kolja, und ich möge mit ihm kommen. Er redete fast nichts den ganzen Weg, dann traten wir in einen alten Plattenbau, und er kramte furchtbar lange in einer Tasche nach den Schlüsseln. Es war dunkel, und ich fürchtete mich. Als er aufschloss, erklangen hinter seiner Wohnungstür Stimmen und Gequieke. Es stellte sich heraus, dass er drei kleine Kinder hatte.
    Ich grüßte seine Frau, legte mich hin, wo sie es mir zeigten, und schlief auch schon. Am nächsten Tag brachten sie mich zum Markt.
    Ich stand mit Gefrorenem neben dem Eingang und trug
Essen und Trinken zu einigen der Stände, wo sie mir dafür täglich ein paar Tugrik gaben. Ums Haar genug, um notdürftig zu überleben.
    Nicht einmal in unserem Guanz hätte ich mich dafür ordentlich satt gegessen.
    Nach einer Woche war ich mager und schmutzig, weil man sich nirgendwo waschen konnte und Kulan jedes Mal, wenn er meine Stimme hörte, den Hörer aufknallte. Ich hätte nie gedacht, dass Stehlen so leicht ist.
    Nach Mittag, wenn am meisten Leute kamen, konnte man ziemlich lange um einen Stand mit Brötchen und glasierten Keksen herumlungern. Während dieser Zeit gelang es mir, ein bisschen was aus den Taschen zu stehlen und mir zwei oder drei Brötchen vom Ladentisch zu greifen, und ich konnte sogar dem kleinen Mädchen was geben, das inzwischen für mich das Gefrorene hielt. Aber wirklich gut ging es mir nicht.
    Wenn der Tag sich dem Ende zuneigte, kehrten die Leute mit Säcken voll eingekaufter Sachen in ihre behaglichen Plattenbauten zurück, und die Marktleute entfernten sich grüppchenweise, um zu trinken.
    Ich stand immer beim Tor. Die Planen der Stände klatschten auf die nackten Konstruktionen, zwischen denen zerknülltes Papier herumflog. Ich schlief inmitten von Kartons vor dem rückwärtigen Tor. Ich kroch in mehrere Säcke und schob meine eiskalten Hände zwischen meine Schenkel. Auch andere Obdachlose vom Land hielten sich stets dort auf. Vor dem Schlafen plauderten wir ein wenig - wer aus welcher Gegend kommt und so.
    Oft bot mir wer an, mit ihm zu gehen. Ich war jung, und auf den ersten Blick war zu sehen, dass ich vom Land kam. Sie hatten wässrige Augen und nahmen mich mit zittrigen
Fingern an der Hand. Die aufgesprungenen Lippen sagten immer dasselbe. Manchmal sagte ich nur nein, und manchmal musste ich mich losreißen und ein Stück davonlaufen. Ihre niederträchtigen Worte trug der Wind davon. Nach vierzehn Tagen zerriss der Länge nach ein ganzer Ärmel meines Deels. Ich hatte schon ein beachtliches Häufchen glasierter Kekse darin verstaut, als plötzlich jemand von hinten nach mir griff. Ich begann zu laufen, und in diesem Moment passierte es. Der Ärmel klaffte auf, die Kekse flogen heraus, und ich landete in den Klauen der Verkäufer. Auch etliche andere Leute schlossen sich an, und als ich mich aus dem Knäuel herausgewunden hatte, blubberte Blut aus meiner Nase, und schnelle Tropfen trafen auf den zerrissenen Deel. An diesem Tag und auch am nächsten verkaufte ich nichts. Von einem blutverschmierten Schmutzfink will niemand was nehmen, und stehlen konnte ich auch nicht mehr. Mir blieb nichts anderes übrig, als mir etwas anderes auszudenken.
    Nara hat nie aufgehört, meine Lieblingsschwester zu sein, und nur aus Schüchternheit oder so war ich nicht gleich zu ihr gegangen.
    Das

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