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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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angetan? Ich sagte nichts. Ich war älter, und es war doch nicht möglich, dass ich meine jüngere, meine geliebte Schwester nicht verstand. Heute weiß ich, dass ihr das alles nur damals so schlimm vorkam.
    Damals spürte ich nur, dass es sinnlos gewesen wäre, davon zu erzählen, wie neu und interessant all diese Dinge für mich gewesen waren, dass ich mir damals einen Traum erfüllte und arbeiten ging und dann mit Bjamchu ein wirkliches Glück erlebte.
    Auch zu sagen, dass als Köchin in einer guten Kantine zu arbeiten besser ist, als für Geld mit Männern zu schlafen, hätte nichts gebracht. Ein paar Monate später war mir die Lust auf schlaue Reden ohnehin vergangen. Wir begannen uns wieder zu verstehen. Und wussten nicht, dass der Grund dafür die Männer waren.
    Eines bewunderte ich aber schon damals. Obwohl sich Nara wahrscheinlich genauso verdammt schlecht fühlte wie ich, sah sie immer wie die aufreizendste Frau aus, die je mit den Stöckeln ihre Rhythmen in den Staub von Ulan Bator tippte. Diese Unbezwingbarkeit bewies sie auch später. Ihr alabasterweißes Gesicht wurde, trotz ihrer hastigen, aufgebrachten
Art zu sprechen, von stets wie frisch geschminkt wirkenden sinnlichen roten Lippen dominiert, und die gezupften Augenbrauen hatte sie zu einer hübschen, herausfordernden Linie nachgemalt. Auch ihr Hals war gepudert, aber nicht wie bei den billigen Nutten, die abends den Männern ans Autofenster klopfen und ihre Brüste an die Scheibe pressen. Diese Weiber sahen wie die Masken einer chinesischen Oper aus. Ihre weißen Gesichter steckten auf einem braunen schmutzigen Hals. Der Lippenstift zog sich über das ganze Gesicht, und ihre T-Shirts stanken nach Ungewaschenheit. Nara verstand es, sich herzurichten. Wenn sie mit ihren langen schwarz getuschten Wimpern klapperte, war es, als stürbe die Welt und würde in ihren nussfarbenen Augen wiedergeboren. Das waren nicht die dunklen kleinen Kohlenadeln, die wir alle hatten, sondern cremefarbene Zedernkernchen. Der Wladiwostoker Fischhändler hatte sich angestrengt. Sie trug das Haar ziemlich lang, es wellte sich wie die Dünen des Wüstensands über ihren Rücken.
    Schöne Bäckchen aber machen eine Frau nicht aus. Hatte Großmutter schon gesagt, aber auch die Männer, die Nara aufsuchten. Sie hat mir davon erzählt. Die schlanken Beine, die breiten Hüften und Brüste, fest wie die prall gefüllten Säckchen mit den Preiselbeeren, die wir im Herbst vom Fuß der Roten Berge heimbrachten, waren der Grund, warum es die Männer mehr zu ihr als zu den anderen zog. Ich weiß nicht. Es ist egal.
    Ich erinnerte mich an all die schadenfrohen Jungen, die Nara ihrer hellen Haare wegen in der Somonschule verlacht hatten. An die bösartigen, dicken burjatischen Lehrerinnen im Kindergarten, die sie das lehrten.
    Mit einem einzigen blonden Haar ihrer üppigen Mähne
konnte Nara jetzt die Prachtkerle solcher Frauen umgarnen. Sie kamen immer wieder und zahlten nicht wenig.
    Ich selbst war nur furchtbar müde, ausgehungert und zerschlagen, eigentlich war es aber nichts Ernsthaftes. Ich lag einige Zeit, und damit hatte es sich. Nara kümmerte sich um mich wie Soldoo um ihre Kleine. Wenn Essenszeit war und Nara gerade niemanden hatte, legte sie mir weiche Kissen unter den Kopf und fischte aus dem Chuurag die fettesten Bissen heraus, damit ich mich rasch erholte. So würde dich keiner wollen, sagte sie. Schau, wie dünne Hände du hast, und sie umschloss mit zwei Fingern meinen Arm. Sieh an. Nara hatte Handwurzeln wie meine Knöchel und war trotzdem nicht dick. Langsam begriff ich, dass Nara es für ausgemacht hielt, dass ich hierbleiben und nächtelang in einem Kabuff mit Männern herumturnen würde wie sie. Ich wollte vor allem nicht, dass wir wieder aneinandergerieten, und ließ sie daher so lange wie möglich in diesem Glauben.
    Als ich ging, war mir Nara nicht böse. Sie hatte gerade jemanden, und daher konnte sie mich schließlich nicht einmal hinausbegleiten. Als sich der Typ auszog, lehnte sie sich schnell aus dem Fensterchen und winkte mir fröhlich zu. Nara ging mir dann noch lange im Kopf herum. Als ich in einem Kiosk Süßigkeiten verkaufte, als ich in einer Schulkantine kochte, als ich in einem Postamt Briefe stempelte, als ich einer Russin ihren kleinen blonden Nikolaj beaufsichtigte, als ich in einem Kunstfasermantel und mit Fingerstutzen im städtischen Autobus der Linie Bombogor-Bochijn Orgoo und retour Fahrkarten abriss.
    Ich schlief für ein paar Tugrik, wo es

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