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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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und dass ich meine Sachen nicht mit ihren durcheinanderbringen solle. Sie warf die Schlüssel neben das Bett, und ich schlief wieder ein.
    Mergen blieb noch ein paar Tage. Während dieser Zeit zeigte sich Gelbe Blume kein einziges Mal. Mergen und ich saßen die ganze Zeit am Küchentisch, rauchten, und Mergen kippte ein Glas nach dem anderen. Das Baby kam dann mit einem großen braunen Fleck auf dem Bauch zur Welt. Der Doktor fragte, ob ich mich von Alkohol und Tamchi ferngehalten hätte, aber ich glaube, das Baby hatte das von dem Schreck. Papa war das damals bei uns zwar nicht gewesen, für das Kind kam der Schreck aber auf das Gleiche heraus.
    Als ich Mergen davon erzählte, lachte er nur, in der Inneren Mongolei wären die Dirnen angeblich viel billiger. Dann riss er Damdinsures Bild aus der Zeitung heraus, zerrieb Tabak und drehte sich eine dicke Zigarette.
    Von Mama sprachen wir nicht. Mergen sagte nur, alle Frauen sind gleich, und daher kam mir der Gedanke, etwas Ähnliches wäre ihm schon mehrmals zugestoßen. Von Schartsetseg sprach er wie von seiner Zimmerfrau.
    Diese Frau hatte ihn nie gelinkt, auch wenn mir ihr falsches aufreizendes Lächeln nicht gefiel.
    Die fünf Tage mit Mergen in dem glühend heißen Plattenbau waren voller Wodka und gegenseitiger Sticheleien, doch als er ging, fühlte ich mich ohne ihn traurig. Das Warten auf die Dinge, die mir durch den Kopf gingen, war umsonst gewesen. Er tischte sie mir nicht auf. Und ich hatte so danach gelechzt, wie es wirklich mit Mama gewesen war, ob er sich als Großvater dieses Babys fühlte und von welchen Frauen diese Kinder waren, die er sich in seiner Heimat ansehen fuhr.

    Unten in der Tür zog er ein paar Scheine aus der Jacke, steckte sie mir in die Tasche, und vor meinen Augen tauchten die Kerle im Diwaadschin auf, die mir für eine gute Nummer manchmal etwas zusätzlich in den Ausschnitt steckten. Er winkte mit der Hand und fuhr mit dem ersten Wagen weg, der vorbeikam. Das war das letzte Mal, dass ich ihn sah.
    Auf dem Rückweg nach oben erinnerte ich mich auf der Treppe, wie er damals so hochgegangen war, genauso betrunken wie ich, als er jetzt fortfuhr, und ich hatte ihn damals auf die Stufen fallen lassen.
    Ich wusch etliche Tage lang den Gestank aus der Wohnung und leerte die zwei Wodkaflaschen, versteckt in der Matratze der Couch, die mich zur Frau gemacht hatte.
    Mein Kind nannte ich vom ersten Augenblick an, als ich seine Bewegungen in mir spürte, Dolgorma. Ich wollte wie alle Frauen einen Jungen, war dieses gebenedeiten Namens wegen aber froh, dass es so ausging. Magi flatterte irgendwo in anderen Welten herum, und Ojuna war von einem Jungen entbunden worden, so dass dieser Name mir blieb.
    Ich hatte etwas Geld gespart, dazu die paar tausend Tugrik von Mergen, das reichte mir gerade für ein bescheidenes Auskommen, ehe ich fähig wäre, mich um etwas umzusehen. Und so saß ich auf Mergens Stuhl am Fenster, rollte mir Zigaretten mit seinem ausgetrockneten, krümeligen Tabak, guckte auf die Leute hinunter und wartete, bis Dolgorma sich ankündigen würde. Vom Küchenfenster war der kleine betonierte Platz zwischen den vier Plattenbauten zu sehen. Hier versammelten sich an warmen Tagen die Dschidschuur aus allen vier Blöcken und besprachen, was in welchem Haus gerade schadhaft war. Um sie herum dribbelten Jungs mit Bällen und zielten auf Metallreifen. Kleinkinder krabbelten unter Brüstungen
herum, kraulten Hündchen, und ab und zu traf sie ein Ball am Kopf. Die Frauen saßen in einer Ecke, stillten Babys und tauschten sich aus mit Frauen, die auf Balkons Wäsche aufhängten. Die Mädchen hockten kichernd auf der Rampe.
    In einer Ecke stand immer eine alte Frau mit einem Schöpflöffel und einem Eimer mit dünnem durchsichtigem Kumys. Reisigstücke schwammen darin und ertrunkene Fliegen. Die Leute standen davor manchmal Schlange, doch mit dem dichten, sattweißen Kumys von Munchtsetseg hatte dieses graue, trübe Wasser nichts gemein. Mitunter verjagten die größeren Jungs aus unserem Haus die anderen mit Steinen und nahmen dann das ganze Geländer in Beschlag. Sie ließen zufrieden die Beine baumeln, verzogen im Gegenlicht die Gesichter und ließen eine Zigarette von Hand zu Hand gehen.
    Ich nahm mir eine Näharbeit mit ans Fenster, damit Dolgorma für den Anfang ein paar schöne Sachen hätte.
    In die Entbindungsanstalt führte mich Najramdal, ein Nachbar aus dem ersten Stock. Mit der Tasche mit meinen Sachen kam er dann am nächsten Tag

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