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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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sicher bereits nachziehen. Ariuna lachte sich tot hinter vorgehaltener
Hand, Najma schwieg und schüttete eine Schale nach der anderen in sich hinein.
    Wir tranken alle auf ihre geplante Übersiedelung, und dabei wandte sich mein Schwager mir zu und flüsterte mir ins Ohr, er würde Ojuna gegen nichts tauschen.
    Dann wankte er hinaus, und man hörte die Hunde, wie sie sich um sein Erbrochenes rauften.
    In den folgenden Jahren schickte ich Dolgorma meist allein aufs Land. Sie war davon keineswegs begeistert, doch hatte es während meiner Jugend auch eine Menge Sachen gegeben, die einfach so waren, wie sie eben waren, und niemand hatte mich gefragt. So muss es sein. Ferien in glühend heißen Straßen, das ist nichts. Statt vor dem Plattenbau herumzulungern, soll sie lieber in den Roten Bergen helfen. Ihren Teil denken konnte sie sich, aber ich bekam sie immer irgendwie weg.

Ich wurde sie gerne für ein paar Wochen los. Wenn sie weg war, besuchte mich fast täglich Nara. Wir bunkerten uns in der Küche ein, wo man vor Zigarettenrauch kaum atmen konnte, unterhielten uns über Männer, über die nackten Schenkel krochen uns unablässig Fliegen. Genau das, wovor ich Dolgorma bewahren wollte. Altweibergespräche.
    Ich konnte mich in keiner Weise beschweren, ich fühlte mich, so wie es war, zufrieden, aber Nara war das Glück nicht besonders hold. Sie sah immer noch gut aus, aber nur für eine Vierzigjährige. Sobald wir auf der Straße neben jungen Mädchen gingen, war augenblicklich offenkundig, dass es mit ihrer Schönheit nicht weit her war.
    Ich suchte niemanden mehr. Najramdal, der Nachbar aus dem ersten Stock, zu dem ich Dolgorma manchmal gebracht hatte, als sie noch nicht den Chuuchdijn Tsetserleg besuchte, war der Mann, der zu der Zeit schon etliche Jahre zu mir kam.
Wir tranken zusammen eine Schale Tee, war die Klospülung kaputt, hatte ich jemanden, den ich holen konnte, und wenn er zu seinen Verwandten aufs Land fuhr, gab er mir seine Schlüssel und brachte immer ein paar Flaschen Kumys mit. Das genügte mir, um mich gut zu fühlen, und mehr brauchte ich nicht.
    Aber Nara hatte nicht einmal das, überdies besaß sie keine Dolgorma, und in den Roten Bergen hatte sie sich schon so lange nicht gezeigt, dass die Erwähnung ihres Namens dort eine Weile verlegener Stille nach sich zog.
    Nara konnte mit Männern nicht umgehen. Sie schleppte sie gleich mit heim und wunderte sich dann, dass sie am nächsten Morgen in aller Frühe verschwanden und sich nicht mehr blicken ließen. Wenn sie sich zufällig nicht abschrecken ließen, strapazierte sie sie derart, dass sie binnen eines Monats hastig das Weite suchten. Nara bot für das geringste Anzeichen eines flüchtigen Interesses immer gleich alles an. Sie steckte einem anderen ihr Herz zu wie Münzen, und war er nicht interessiert, hielt sie es für hilfreich, die Beine zu spreizen. Damit verbockte sie stets alles endgültig. Sie war unbelehrbar. Sie war ein billiges Frauenzimmer, eine andere Taktik kannte sie nicht. Meine Lieblingsschwester ist sie aber immer noch. Daran ändert das alles nichts.
    Ich sagte ihr unablässig, du musst deinen Wert kennen, doch kannte sie ihn vielleicht besser als ich. Einzig das kann die Erklärung dafür sein, dass sie, eine teure Zigarette in der zitternden Hand, immer wieder und wieder kam, um sich ein weiteres Mal haargenau die gleiche Geschichte von der Seele zu reden. Als Antwort auf meine Erklärungen klapperte sie mit den langen Wimpern, unter denen hervor zwei erschrockene, in Tränen schwimmende Augen in die Welt guckten,
und ich wusste, sie würde einzig mein Streicheln verstehen. Ein Ende war nicht in Sicht.
    Dolgorma kehrte meist früher aus den Ferien nach Hause zurück. Oft überredete sie im Zentrum jemanden, sie zu fahren, und wie es nur irgendwie ging, war sie wieder in der Stadt. Ich war froh, dass sie auf dem Land etwas lernte, und bildete mir glücklich ein, sie würde dort vielleicht jemanden finden und diese Fertigkeiten kämen ihr dann gelegen, aber Dolgorma war ein Dickschädel.
    Papa hatte Recht, eine alleinstehende Frau wird einem Kind nicht Herr, und ich war es schon müde, in einem fort dasselbe zu wiederholen. Sie hatte immer gleich ein kränkendes Wort bei der Hand, besonders was ihre Großmutter und Ojuna betraf. Wenn sie wenigstens mehr erlebt hätte, wenn sie nicht so dumm gewesen wäre. Aber sie war sich immer in allem sicher. Manchmal hätte ich ihr am liebsten eine geklebt.
    Einmal tat ich es fast. Ich

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