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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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sich nahm, was ihr nicht gehörte, und lange rief er Dolgorma gar nicht mit ihrem Namen.
    Jetzt, als wir zum zweiten Mal kamen, war er schon zu alt, um zu zanken. Er wunderte sich nur, wie groß sie war, und wenn ihn Dolgorma fragte, ob sie und Großmutter Dolgorma einander ähnelten, wurde er mürrisch und ließ sie von seinen Knien auf den Boden gleiten. Ansonsten war er nicht unfreundlich zu ihr, er schritt sogar ein, wenn Ojunas und Najmas Kinder, Batdschar, Tsetsegma und Zula, zu sehr aufschnitten und sich einen Spaß daraus machten, dass Dolgorma eifrig mit dem Kopf nickte. Dann rief er Dolgorma zu sich und versetzte den anderen einen Rippenstoß als Lektion.
    Batdschar, Zula und Tsetsegma waren vermutlich ziemlich widerlich zu ihr. Sie hielten zusammen und fädelten ihre Spiele immer so ein, dass Dolgorma nachher zu mir gerannt kam, ich solle etwas unternehmen, sie wolle nicht immer die Letzte sein.
    Ich sprach mit Ojuna darüber, die ließ auf ihre Kinder aber nichts kommen, Dolgorma solle ruhig was lernen, und daher zog mich die Kleine schon nach ein paar Tagen immer am Ärmel, wir sollten heimfahren. Ich ließ mich nicht verunsichern.
    Beziehungen zwischen Verwandten brauchen Zeit, sie reifen
wie Kumys, man kann ihre Entwicklung nicht beschleunigen, und Dolgorma musste selbst lernen, wie sie es anpackte.
    Ich war schrecklich neugierig gewesen auf Ojuna. Batdschar kannte ich nur als Säugling und die Mädchen überhaupt nicht.
    Najma war gealtert, seine Schultern hingen herunter, und er redete mehr mit den Tieren als mit den Menschen, im Ger war von seinem Platz her nur lautes Schmatzen zu hören oder das leise Rascheln vom Zerreiben des Tabaks, wenn er sich eine Zigarette drehte. Ojuna hatte ihre Pflichten als Frau bestens im Griff, und daher bedurfte es keiner männlichen Ermahnungen.
    Ojuna ist von uns dreien wohl am meisten Mama nachgeraten. Wenigstens bezüglich des Ger. Ich musste immer alle Deckel abheben, bevor ich wusste, in welchem Topf Wasser, in welchem Milch, wo das restliche Fleisch und welche Pfanne gewaschen und leer war. Das machte ich sogar bei mir daheim so, aber Ojuna hätte den ganzen Tag mit einem Tuch vor den Augen herumspazieren können und trotzdem wäre auch nicht der kleinste Tropfen Suppe herausgespritzt, und sämtliche Arbeiten wären ihr immer noch schneller von der Hand gegangen als mir. Sogar Zula und Tsetsegma schaffte sie dabei noch zu beaufsichtigen. Batdschar wurde morgens immer von Najma mitgenommen.
    Ojuna war kurz gesagt eine Frau, die man mit der Laterne suchen musste, und sie wusste das. Nur reden konnte man mit ihr nicht.
    Ich lachte vor ihr lieber nicht, weil sie mich einmal angefahren hatte, sie ließe sich eine derartige Beleidigung nicht gefallen, keiner wolle mich hier halten, und sollte ich mir einbilden,
sie beneide mich, weil ich aus der Stadt sei, solle ich mich bloß nicht täuschen, weil sie mit mir nur ganz ordinäres Mitleid habe.
    Ich ließ sie schreien, und am nächsten Tag war alles wieder gut. Bloß waren die Dinge, über die wir uns unterhielten, von dem Moment an wieder weniger geworden. Aber zwischen Najma und ihr lief es gut. Ariuna, Najmas Mutter, hatte das gleich gewusst. Die zwei konnte nichts auseinanderbringen. Manchmal zeterte Ojuna, und es gab Tage, an denen Najma kein Wort sprach, dann wiederum fasste er sie neben dem Ofen um die Taille, Ojuna wetterte eine Weile, er würde sie aufhalten, senkte aber schließlich den Kopf auf die Brust und ließ den Kochlöffel in den Nudeln stecken wie eine Uurga oder drückte ihren Po an seine Beine, rührte dabei weiter um, als wäre nichts, und ein Lächeln wie von einem Kind, das man kitzelt, lag auf ihrem Gesicht.
    Mama war genauso wie früher, bloß mehr auf Papa bedacht. Sie lebten nurmehr zu zweit in ihrem Ger, und wenn etwas Gröberes anstand, kam Ojuna, um zu helfen. Trotz ihrer angegriffenen Gesundheit vertrug Mama aber allzu großen Beistand nicht, geschweige denn, sich von der jüngsten Tochter in ihre Angelegenheiten dreinreden zu lassen. Das ließ sie bis ans Ende ihrer Tage nicht zu.
    Bevor Dolgorma und ich nach diesem ersten Sommer abreisten, gelang es uns noch, Ariuna und Tsoboo sowie Majdar und Munchtsetseg zu sehen, die zu Besuch gekommen waren. Es wurde im Eltern-Ger getrunken, weil Papa das ganze Jahr über keine Gesellschaft hatte, und Mama schenkte stolz die Schalen ein. Alle erkundigten sich bei mir nach dem Leben in der Stadt, Tsoboo sagte, im nächsten Jahr würden sie mir

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