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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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zeigte sich zufrieden.
    Dann rollte er einen der Bürostühle an Linkohrs Schreibtisch und setzte sich zu dem jungen Kollegen.
    »Wir haben eine Streife zu Büttners Wohnung geschickt«, berichtete der Assistent und kratzte sich am Oberlippenbart, wie er es oft aus Verunsicherung tat. »Aber es hat dort niemand geöffnet. Und keiner der Nachbarn hat ihn in den letzten Tagen gesehen. Sein Auto, das normalerweise auf der Straße parkt, ist weg. Und Post und Zeitungen stecken seit Freitag im Kasten.
    »Seit Freitag«, wiederholte Häberle. »Wenn er bis Mittwoch beruflich in Leipzig war, muss er also noch daheim gewesen sein. Zumindest, bevor am Freitagmorgen die Zeitung ausgetragen wurde. Donnerstag war Feiertag, da gab es keine.« Er überlegte. »Und was ist mit seiner Frau?«
    »Wir sind gerade dabei, sie ausfindig zu machen«, erklärte Linkohr.
    »Sie hat eine Firma in Ulm«, berichtete Häberle aus dem soeben mit Bodling geführten Gespräch. »Time-Sharing heißt sie.«
    Linkohr nickte. Er hatte dies bereits recherchiert. Irgendjemandem würde jetzt die unangenehme Aufgabe zufallen, die Frau zu verständigen, dachte er. Ganz so schlimm jedoch dürfte dies nicht werden, schließlich hatte sie sich von dem Mann getrennt, sodass die emotionalen Bindungen vermutlich eher gering waren.
    »Und wir beide«, entschied Häberle, »fahren mal zu seiner Wohnung.«
    Linkohr hatte das erwartet und schob einige Blätter auseinander, die ungeordnet auf seinem Schreibtisch lagen. »Er wohnt im Kolpingweg«, las er vor. »Am Stadtrand, Villengegend, tolle Lage. Sogar ein früherer Oberbürgermeister hat dort gewohnt.«
    Häberle nickte. Bodling hatte ihm die Adresse bereits genannt. Und wo sich diese Wohngegend befand, brauchte ihm niemand zu erklären. Es gab in seinem Zuständigkeitsbereich kaum eine Straße, die er nicht kannte. Ein Polizist, das hatte er den jungen Kollegen schon viele Male nahegelegt, musste sich in seinem Gebiet auskennen. Deshalb stand die Forderung der Verwaltungsoberen, die Beamten sollten mobil und flexibel sein, in krassem Widerspruch zu den Erfordernissen an der Basis. Land und Leute zu kennen, die Mentalität der Menschen und ihre Charaktere. Das war ein hoher Erfahrungsschatz, der einen wirklich erfahrenen Kriminalisten auszeichnete. Aber Häberle hatte es längst aufgegeben, dies den Verantwortlichen für die Personalpolitik vorzutragen. Er redete gegen eine Wand. Und die Politiker verbreiteten mit schöner Regelmäßigkeit Zahlen von angeblich zusätzlich eingestellten Polizeianwärtern – doch draußen in den Revieren oder bei den Ermittlungsgruppen kam kaum etwas davon an. Ganz im Gegenteil: Man hatte in den letzten Jahren das bewährte System der örtlichen Polizeiposten ausgedünnt. Vermutlich versickerten immer mehr Polizisten in den personalhungrigen Verwaltungsetagen, wo Statistiken erarbeitet und sogenannte Präventionsprogramme ersonnen wurden, einschließlich der unvermeidlichen und gähnend langweiligen PowerPoint-Präsentationen.
    »Wie sieht’s mit der Todesursache aus?«, hakte Häberle nach. »Hat Kräuter schon Genaueres mitgeteilt?«
    »Hat er«, ereiferte sich Linkohr und griff zu einer ausgedruckten E-Mail. »Seine erste Einschätzung, dass der Mann erwürgt wurde, hat sich bei der weiteren Obduktion bestätigt. Punktförmige Blutungen – die Medizinmänner sagen auch Petechien dazu – in den Bindehäuten. Ein klares Zeichen dafür. Außerdem eine Einblutung am Kehlkopf.« Der Kriminalist fasste die wichtigsten Erkenntnisse des Gerichtsmediziners zusammen: »Außerdem ist eines der beiden oberen Schildknorpelhörner abgebrochen, was als Hinweis aufs Würgen gilt, das nach einer Minute zur Bewusstlosigkeit führt.« Linkohr räusperte sich. »Erwürgen heißt ja nicht ersticken«, ergänzte er, denn dies war ihm noch von der Ausbildung her in Erinnerung geblieben. »Beim Erwürgen wird die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrochen.«
    Häberle ließ den engagierten Kollegen ausreden. Manchmal war es einfach notwendig, über das Schreckliche zu sprechen, um es verarbeiten zu können.
    »Beim Erwürgen muss der Täter besonders kaltblütig vorgehen«, dozierte Linkohr weiter. »Kein Stich, kein Schuss, sondern Aug in Aug mit dem Opfer, ihm den Hals zudrücken. Es kann fünf Minuten dauern, bis der Tod eintritt, hat Kräuter gesagt.« Er mochte sich dies gar nicht vorstellen.
    »Und wie erklärt er sich die seltsame Haltung der Leiche im Wasser?«, lenkte Häberle von diesem Szenario

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