Kuss der Nacht - Band 02
ich hervor. Erst herrschte entsetztes Schweigen, dann fingen alle auf einmal an zu reden. Ich spuckte etwas von dem Blut aus, das ich im Mund hatte, ohne darauf zu achten, wie undamenhaft das wirkte, und hielt mir die schmerzende Seite. Grendel hätte den Sieg schon in der Tasche gehabt, wäre er nicht so selbstgefällig gewesen. Noch ein Schlag wie der letzte, der mich in die Seite getroffen hatte, und ich wäre nicht mal mehr in der Lage gewesen, eine Limoflasche aufzuschrauben. Ich fühlte mich ja jetzt noch, als hätte mich ein Auto überrollt. Oder ein Zug. Ein großer. Grendels Gesicht starrte zu mir empor, die Haut wurde schon schrumplig, und ich schob den Schädel angeekelt von mir. Sollte ja Leute geben, die Trophäen sammelten. Ich gehörte nicht dazu. Langsam rappelte ich mich auf und warf einen wütenden Blick in Richtung Ian, der immer noch mit offenem Mund dastand.
»Lass. . den Käfig. . herunter.«
Meine gebrochenen Rippen erschwerten mir nach wie vor das Sprechen. Ian nickte schmallippig, und Noah wurde unter Kettenrasseln zu Boden gelassen. Nachdem man ihn befreit hatte, warf er einen entsetzten Blick auf mich und den kopflosen Ghul. Dann fing er an zu schreien.
»Bringt ihn zum Schweigen«, befahl Ian ärgerlich.
Sofort trat Spade vor. Binnen Sekunden ließ er Noah mit stechendem Blick und einer knappen Anweisung verstummen. Dann führte er ihn den Gang entlang zu der Flügeltür, von wo aus er die ganze Zeit über das Geschehen beobachtet hatte. Ich entspannte mich etwas. Bei ihm war Noah relativ sicher.
Überraschenderweise begann Ian zu klatschen, aber im Vergleich zu dem ehrlichen Applaus, den Grendel vor Kurzem noch geerntet hatte, wirkte seiner eher wie Hohn.
»Gut gemacht, Gevatterin Tod! Jetzt kann sich keiner mehr über deinen Namen lustig machen. Wie alle anderen hier bin ich mehr als beeindruckt. Du hast dich als einfallsreich, stark und skrupellos erwiesen. Du hast deinen Kampf gewonnen und einen deiner Männer zurückbekommen. Allerdings. . habe ich noch drei weitere Geiseln. Was ist ihr Leben dir wert, Kleines? Komm schon, dich erwartet kein unerfreuliches Schicksal. Es hätte sogar einige Vorteile, wirst schon sehen.«
Bei diesem letzten Satz lächelte Ian, um die Bedeutung seiner Worte klarzustellen. Bones erhob sich. »Ich habe genug gesehen, Ian. Ich gehe.«
»Aber jetzt kommt doch der beste Teil«, antwortete Ian und zwinkerte mir zu. Ich zeigte ihm den Stinkefinger. Er lachte. »Jetzt hast du doch tatsächlich meine Gedanken gelesen, Cat.«
Bones ging Richtung Ausgang. Über einhundert Vampire schickten sich an, ihm zu folgen. Mir traten fast die Augen aus dem Kopf. All diese Leute gehörten zu ihm ?
»Ich muss mir das nicht länger ansehen, mein Freund. Eine gute Nacht noch.« Er ging weiter, bis er die Ebene direkt über dem Kampfplatz erreicht hatte; dort drehte er sich um und grinste Ian an.
»Aber bevor ich gehe, möchte ich deinem Ehrengast doch noch meine Aufwartung machen.«
Ian brach in schallendes Gelächter aus. »Sei vorsichtig. Vielleicht endest du wie Grendel.«
»Ich lebe gern gefährlich«, erwiderte Bones, und sprang zu mir in den Ring. Dann grinste er noch breiter.
»Meinen Glückwunsch zu dieser grandiosen Zurschaustellung unsportlicher Gesinnung. Was für eine niederträchtige Kämpferin du doch bist. Ein wahrer Meister muss dich unterrichtet haben.«
Ich lachte, auch wenn es wehtat. »Ja. Ein arrogantes Arschloch.«
»Schwamm drüber. Na komm, Schatz, gib dir einen Ruck, wie wär's mit einem Abschiedskuss um der alten Zeiten willen.«
»Einen Kuss willst du? Dann komm und hol ihn dir.«
Rechts hinter Bones konnte ich Ian sehen. Er kicherte und raunte dem Vampir neben sich zu, dass ich Bones vermutlich die Lippen abbeißen würde. Sein Kichern verwandelte sich in ein wütendes Zischen, als ich mich von Bones in die Arme nehmen ließ und ihm einen Kuss auf den Mund gab. Ich schloss nicht einmal die Augen dabei. Ians Gesichtsausdruck war zu köstlich.
»Was zum Teufel.. «
Ian erhob sich so abrupt, dass die Couch umkippte, auf der er gesessen hatte. Ich beachtete ihn gar nicht, sondern saugte an der tiefen Wunde in Bones' Zunge, die er sich soeben, für jedermann gut sichtbar, selbst beigebracht hatte. Sie verheilte, kaum dass sein Blut in mir zu wirken begann.
Die Programmänderung brachte Ian zur Weißglut. Hasserfüllt sah er Bones aus smaragdgrünen Augen an.
»Genug jetzt, Crispin! Ab heute gehört Cat mir, also lass die Finger von
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