Kuss der Nacht - Band 02
schmiegen. Bleiche Haut hob sich gleißend von seinem tiefschwarzen Smoking ab - was für ein atemberaubender Kontrast, dieses milchige Weiß. Augen, so dunkelbraun, dass sie schon fast schwarz wirkten, blickten direkt in meine, völlig ungerührt, im Gegensatz zu mir.
Ein Körper behält Ziel und Geschwindigkeit seiner Bewegung bei, solange keine äußeren Einflüsse auf ihn einwirken. Ich hielt mich an Newtons Trägheitsgesetz, denn obwohl mir der Atem stockte und mein Herz einen Sprung machte, schaffte ich es irgendwie, weiter den Gang entlangzuschreiten.
Bones' Blick war verzehrend. In mir brach sich ein völlig neues Gefühl Bahn, das mein träger Verstand erst gar nicht zu benennen wusste. Freude. Reine, ungetrübte Freude überkam mich.
Um ein Haar wäre ich auf ihn zugestürzt und hätte mich in seine Arme geworfen, doch ich hielt mich zurück.
Was hatte Bones hier zu suchen? Und warum wirkte er nicht überrascht, mich zu sehen?
Diese Überlegungen hielten mich davon ab, irgendwelche Dummheiten zu machen. Mich ihm an den Hals zu werfen, beispielsweise. Ich war nämlich schon knapp davor gewesen. War Bones nicht überrascht, mich zu sehen, musste er gewusst haben, dass ich hier sein würde. Aber woher? Und dann noch die beiden wichtigsten Fragen: Wie hatte er mich gefunden? Und was wollte er?
Hier und jetzt würde ich es nicht herausfinden. Ich war auf Denises Hochzeit, und die würde ich ihr nicht verderben, indem ich eine Szene machte. Danke lieber Gott und all ihr Heiligen, dachte ich, dass meine Mutter nicht so genau auf die Trauzeugen achtet.
Sie für ihren Teil hätte nämlich keinerlei Skrupel gehabt, meiner Freundin auf ganz spektakuläre Weise den Tag zu versauen. Was immer Bones auch vorhaben mochte, ich würde mich nach der Trauung damit befassen.
Oder ohnmächtig werden. Je nachdem.
Ohne mir etwas anmerken zu lassen, nahm ich meinen Platz neben Felicity ein. Als Denise gerade gemessenen Schritts den Saal betrat, beugte sie sich zu mir und zischte mir ins Ohr: »Denk nicht mal an den Knackarsch; der gehört mir.«
»Klappe«, gab ich zurück, allerdings so leise, dass keiner der Gäste etwas mitbekam. Ich hatte schweißnasse Hände, und meine Knie fühlten sich an wie Wackelpudding. Wie sollte ich diese Hochzeit bloß überstehen? Bones war so nah. Viereinhalb Jahre lang hatte ich von ihm geträumt, und jetzt hätte ich die Hand ausstrecken und ihn berühren können. Es kam mir geradezu unwirklich vor.
Denise wurde von ihrem Vater an Randy übergeben, und die beiden fassten sich an den Händen. Der zuständige Richter begann mit der abgewandelten Version des Ehegelübdes, in dem alle Bezüge auf Religion bewusst ausgelassen wurden. Bones wandte sich wie die übrigen Trauzeugen dem Richter zu.
Von der Zeremonie bekam ich nicht viel mit. Felicity musste mich anstoßen, als es an der Zeit war, Denise den Brautstrauß abzunehmen, damit das Paar die Ringe tauschen konnte. Als sie endlich zu Mann und Frau erklärt wurden, war ich erleichtert. Wie mies von mir. Meine beste Freundin heiratete, und ich wollte bloß, dass alles schnell über die Bühne ging, damit ich mich wieder einkriegen konnte. Denise und Randy schritten zwischen den Sitzreihen entlang aus dem Saal, und ich rannte ihnen beinahe hinterher, als ich an der Reihe war. Philip hängte sich an mich, um mich zu einem gemesseneren Schritt zu bewegen, aber ich zerrte ihn hinter mir her, um die Sache abzukürzen.
»Ich muss mal ganz dringend«, log ich verzweifelt. Eigentlich wollte ich nur eine stille Ecke finden, in der ich mich kurz sammeln konnte.
»Sag Noah, er braucht nicht auf mich zu warten; ich geh nachher noch mit zum Fotografen.«
Kaum hatten wir den Saal verlassen, hastete ich zur Damentoilette, mein Strauß lag vergessen, wo ich ihn hatte fallen lassen.
Die Toiletten waren am anderen Ende des Clubs. Drinnen ließ ich mich vor dem Waschbecken zu Boden sinken. Oh Gott, oh Gott, als ich Bones gesehen hatte, waren mit unverminderter Heftigkeit all die Gefühle, die ich hatte vergessen wollen, wieder an die Oberfläche gekommen. Ich musste mich zusammenreißen. Und zwar schnell. Ich zog die Knie an die Brust und ließ den Kopf darauf sinken.
»Hallo, Kätzchen.«
Ich war so mit meiner eigenen Misere beschäftigt gewesen, dass ich gar nicht gehört hatte, wie Bones hereingekommen war. Seine Stimme war noch so weich, wie ich sie in Erinnerung hatte, der britische Akzent noch genauso umwerfend. Ich riss den Kopf hoch, und
Weitere Kostenlose Bücher