Kuss der Sünde (German Edition)
breiten. Sie hatte stattgefunden, und es lag ihr fern, es zu leugnen. Auffordernd reckte sie das Kinn vor, einer Antwort harrend.
„Ich war bei einem Freund, weil ich nachdenken musste. Das ist alles“, brummte er schließlich übellaunig.
Es war ihm anzusehen, dass er sich ungern offenbarte. Womöglich redeten Männer wie er selten über sich selbst. Es war nichts, was sie hinzunehmen gedachte.
„So, das ist alles. Drei Tage reiflichen Nachdenkens, und es kommt nicht mehr dabei heraus, als der Entschluss, mich nach Hause zu bringen. Und wenn ich nun nicht gehen will? Hast du auch das bedacht?“
Sein Blick schweifte umher und kam auf dem Bett zur Ruhe. Zeugnis einer Leidenschaft, die er nicht vergessen haben konnte. Unruhig tippte Viviane mit der Fußspitze auf den Boden. Sie wollte nicht daran glauben, dass ihm ihre gemeinsame Nacht nichts bedeutete, auch wenn er jetzt leicht den Kopf schüttelte.
„Willst du etwa hierbleiben, in meinem Haus? Die Tochter eines Marquis als Mätresse eines Fälschers? Wie stellst du dir das vor, Viviane?“ Mit allen zehn Fingern fuhr er durch sein Haar.
„Ich stellte mir ein gemeinsames Leben mit dir vor“, gab sie freimütig zu.
Er starrte sie an, als stünde ihm eine Erscheinung gegenüber, von der er nicht zu sagen wusste, woher sie so plötzlich gekommen war. Unverwandt sah sie ihn an, während seine Orientierungslosigkeit sichtlich zunahm. Es mochte an seiner Übermüdung liegen, seine bisherige Überlegenheit hatte ihn im Stich gelassen.
„Erwartest du etwa einen Heiratsantrag von mir?“ Seine Frage kam erstickt.
Mit einer nachlässigen Handbewegung wiegelte sie ab. „Die Ehe an sich bedeutet mir wenig. Es gibt so viele junge Damen meines Alters, die sie auf Wunsch ihrer Eltern eingehen und ihr Leben mit einem Mann verbringen, von dem sie vor der Hochzeit höchstens den Namen kannten. Mir war ähnliches bestimmt. Ich war dem Chevalier de Casserolles versprochen, einem Mann von Anstand und mit freundlichem Gemüt. Nun muss ich zugeben, dass er auch ein Mann des Mutes war. Im Gegensatz zu dir zweifelte er keinen Moment an einer gemeinsamen Zukunft, obwohl mich mit ihm sehr viel weniger verbindet als mit dir.“
Für eine Weile trat Schweigen zwischen ihnen ein. Dicht standen sie voreinander und sahen sich in die Augen. Der blaue Ring um seine Iriden schien sich zu erweitern. Jeden seiner Gedanken konnte sie hören. Ein undeutliches Wispern in ihrem Herzen. Sein Unglaube über ihren Vorschlag, seine Zweifel gepaart mit einer Angst, die sie sich nicht erklären konnte. Als fürchtete er einen Fallstrick.
„Viviane, das ist unmöglich.“
Ohne ein weiteres Wort kehrte sie sich ab, raffte die schwarze Männerkleidung, die sie getragen hatte und die seit Tagen frisch gewaschen und gefaltet auf einem Stuhl lag, an sich, und wollte das Zimmer verlassen. Er trat ihr in den Weg.
„Viviane.“
„Was?“
„Du hast selbst gesagt, dass du bereits versprochen bist. Einem ehrenwerten Mann von Stand“, wandte er stockend ein und legte die Hände auf ihre Schultern. „Sei vernünftig.“
„Ich sagte, ich war versprochen. Es versteht sich von selbst, dass ich Monsieur de Casserolles jetzt nicht mehr heiraten kann. Es wäre unaufrichtig. Im Übrigen halte ich mich für vernunftbegabt und wüsste nicht, was unmöglich wäre, wenn zwei Menschen sich zueinander bekennen. Ob nun mit oder ohne einen Trauschein ist gleichgültig.“
Ihre Augen begannen zu brennen. Sie hatte so viel mehr erhofft, und alle Warnungen Ninons in den Wind geschlagen. Es war durchaus schlüssig. Schon immer musste sie für ihr Verhalten unerträgliche Sanktionen erdulden. Wann wäre es jemals anders gewesen? Er streckte den Arm aus und hielt sie fest. Seine Hand ruhte auf ihrer Hüfte. Tränen verschleierten ihre Sicht. Nachdem sie genügend Dummheiten von sich gegeben hatte, würde sie nicht auch noch vor ihm weinen.
Er ließ nicht zu, dass sie sich von ihm löste. Die Kleidungsstücke fielen aus ihren Händen. Sie grub die Finger in seinen Unterarm. Unaufhaltsam zog er sie näher an sich, bis sie an seiner Brust lag. Fest hielt er sie umschlungen und beugte den Kopf zu ihrem Ohr.
„Du bist die Tochter des Marquis de Pompinelle, eines Mannes, der in Versailles verkehrt und dem die Königin zuhört, wenn er etwas zu sagen hat. Und ich bin ein Fälscher. Ich stehe auf der falschen Seite des Gesetzes. Die Polizei sucht nach mir. Sobald jemand mein Gesicht erkennt und einen Hinweis gibt, lande
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