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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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nicht danach. Es würde sich schon wieder einstellen – irgendwann.
    „Welches Interesse haben Sie an den Briefen?“
    Ihre Lider wurden schwer. Es war mühsam, sie zu heben, zumal sowieso alles zu einem Einheitsbrei zerfloss, in dem sie kaum etwas erkennen konnte. Sie rutschte tiefer in das Kissen. Hatte nicht soeben jemand etwas gesagt? Ach nein, es lohnte sich nicht, darüber nachzudenken. Alles war in bester Ordnung. Alles war genau so, wie es sein sollte.
    „Die Briefe, Mademoiselle!“, durchschnitt eine gebieterische Stimme ihren neu entdeckten Seelenfrieden.
    „Briefe?“
    Wozu sollte sie sich um Briefe kümmern? Sie hatte keine Briefe geschrieben in den letzten Wochen. Es konnte sie also nichts angehen. Warum sich Sorgen machen, wenn doch alles behaglich und weich und warm war? Sie lächelte.
    „Nicht einschlafen, Mademoiselle!“
    Die Augen fielen ihr zu, und sie sank tiefer und tiefer ins Dunkel hinab.

     
    Nur wenige Tropfen Laudanum, um sie zu beruhigen und ihre Zunge zu lockern, mehr hatte Olivier nicht in den Wein gegeben. Andere tranken ganze Schnapsgläser davon, ohne deswegen in Tiefschlaf zu fallen. Auf Viviane schien es eine ebenso durchschlagende und gleichwohl seltene Wirkung zu haben wie auf ihn selbst. Das eine Mal, da er es genommen hatte, waren nach seinem Erwachen Hasen durch sein Schlafzimmer gehoppelt. Kurz – bei ihm löste es Halluzinationen aus, weswegen er seitdem die Finger davonließ. Forschend musterte er ihr Gesicht. Nun, so weit musste es bei ihr ja nicht kommen.
    Unwillkürlich katapultierten ihn ihre gelösten Züge in die Vergangenheit. Marianne de Pompinelle und ihre Intrige drängten sich in seine Gedanken. Sie hatte seinen Vater ruiniert und letztendlich in den Freitod getrieben. Die schöne Marianne kannte ihre Wirkung auf Männer und nutzte sie. Der berühmte Fechtmeister Antoine Favre war für sie lediglich eine weitere Trophäe in ihrer Sammlung gewesen.
    Gewiss verbarg sich hinter der glatten Stirn ihrer ältesten Tochter ein ähnliches Kalkül. Es lag nah, dass die Marquise ihren schäbigen Charakter an ihre Kinder vererbt hatte. An Juliette zeigte er sich deutlich, die kleine Pauline hatte er reden hören und mit Viviane war er nun schon zum dritten Mal zusammengeprallt. Alle drei schienen eines gemeinsam zu haben. Sie wurden von Impulsen gelenkt und waren maßlos verzogen. Von Schamgefühl keine Spur. Weshalb sollten diese verwöhnten Biester sich auch zurücknehmen? Gleichgültig, was sie anstellten, die Familie hielt die Hand über sie. Sie lebten in einer heilen, begrenzten Welt. In ihrem Elternhaus gab es selbst in langen Wintern genügend Holz, sie spürten nichts von schlechten Ernten und der ständigen Verteuerung von Mehl und Brot, sondern verbrachten ihre Tage damit, ihre kleinen Schnuten mit Lippenrot auszumalen und sich winzige Mouches ins Gesicht zu kleben. Ihr einziges Problem bestand in wunden Zehen nach einer durchtanzten Nacht.
    Er beugte sich in seinem Stuhl vor und berührte ihr Haar. Das unterschied sie von ihrer Mutter. Dunkel und kraus und so weich wie das Fell einer gepflegten Katze. Ihre linke Wange war leicht geschwollen. Er wechselte das feuchte Tuch. Eine Schande, dass er ihr ins Gesicht geschlagen hatte. Allerdings war sie nicht schuldlos daran. Selbst Adrienne und ihre Schützlinge neigten nicht zu unsinnigen, mitternächtlichen Eskapaden und stiegen in fremde Häuser ein.
    Als er ihre Schulter untersuchte, verzog sie im Schlaf die Mundwinkel. Nachdem er sich davon überzeugte, dass sie nicht ausgekugelt war, lehnte er sich zurück, stützte das Kinn auf die Faust und fragte sich, weshalb sein Vater sich mit Haut und Haaren auf eine Affäre einlassen konnte und über Marianne de Pompinelle alles andere vergaß.
    Ein ebenmäßiges Gesicht und eine feinporige Haut waren für sein an Hörigkeit grenzendes Verhalten keine ausreichende Erklärung. Zweifelsohne weckten schöne Frauen Begehren, doch obwohl Olivier etliche schöne Frauen kannte, hatte ihn keine jemals so stark gefesselt, dass sein Verstand auf Dauer aussetzte. Sein Vater hingegen hatte jegliche Vernunft hintangestellt und sich in die Idee verrannt, ein neues Leben mit der Marquise zu beginnen. Olivier erinnerte sich an Andeutungen in diese Richtung. Gleichwohl hatte er damals erst begriffen, worum es ging, als es zu spät war. Natürlich hatte die Marquise nicht vor, ihr bisheriges Wohlleben hinter sich zu lassen und hatte es vorgezogen, die Affäre abzubrechen. Den

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