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Kuss der Sünde (German Edition)

Kuss der Sünde (German Edition)

Titel: Kuss der Sünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Wegner
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verursacht.
    Quälend langsam setzte ihre Erinnerung ein. Der Polizeipräfekt hatte ihr persönlich den Weg zum Schlafzimmer des Kardinals erläutert. Alles war gutgegangen, bis sie unter dem Bett auf ein offenes und leeres Fach getroffen war, das bestätigte, dass sie kein Glückskind sein konnte. Als sollte diese Einsicht gefestigt werden, hatten sich die Ereignisse überschlagen. Ohne Vorwarnung war sie gepackt und unter dem Bett hervorgezerrt worden, wobei sie sich den Kopf angeschlagen hatte. Am Boden hatte ihre Hand ein dickes Buch gestreift, vielleicht eine Bibel.
    Das Einzige, worauf sie stolz sein konnte, war der Schlag, dem sie diesem Schurken damit versetzt hatte. Sie hatte die Briefe gefunden und fliehen können, doch der Triumph währte sehr kurz und mündete in einer Sackgasse, an deren Anfang eine behandschuhte Faust auf sie zugeflogen kam.
    Sofern die Behauptung ihrer Mutter zutraf und es so etwas wie Feen gab, legten diese Geschöpfe keinen Wert darauf, ihr beizustehen. Dabei gehörte es zu ihren Aufgaben, Wünsche zu erfüllen. Oder etwa nicht? Gut, sie lag auf einer weichen Matratze, anstatt mit einem Stein um den Hals in der Seine, aber die leise Unterhaltung, die anhob, während sie eine tiefe Ohnmacht vortäuschte, erlaubte keine voreilige Zuversicht.
    „Warum hast du sie hierher gebracht? Ausgerechnet in dieses Haus“, wisperte eine Frau.
    „Weil ich sie schlecht auf offener Straße liegen lassen konnte.“
    Das Timbre der leisen Männerstimme kam Viviane vage vertraut vor. Es war derselbe Mann, der sie in dieses Haus getragen hatte. Bestimmt neigte er zu Gewalttätigkeiten. Es war so gut wie sicher, denn es konnte nur seine Faust gewesen sein, die sie niedergestreckt hatte.
    „Schau dir das an. Du kannst von Glück reden, dass du ihr nicht den Kiefer gebrochen hast“, wisperte die Frau. „Ihre Wange ist geschwollen.“
    Das Mitgefühl in der weiblichen Stimme machte es ihr doppelt schwer, reglos liegen zu bleiben. Alles in ihr drängte danach, ihre Wange zu betasten. Der pochende Schmerz, der bis in ihre Zähne zog, wurde allein durch die vernommenen Worte geschürt. Weshalb hatte die Polizei nichts mitbekommen? Wo waren sie gewesen, die Hüter des Gesetzes, als dieser Schurke sie durch halb Paris gehetzt hatte? Niemand hatte sich ihm oder seinem Kumpan in den Weg gestellt. Sie war ihnen ausgeliefert gewesen, und war es noch immer. Gegen zwei Männer, das hatte sie auf dem schnellen Ritt durch Paris begriffen, konnte sie nichts ausrichten. Ihre Gegenwehr hätte einzig zu weiteren Fausthieben geführt. Also hatte sie stillgehalten, so hart es auch war, und auf eine bessere Gelegenheit gehofft – die sich erwartungsgemäß nicht einstellte. Ihre anfängliche Furcht und die Frage, was sie mit ihr vorhatten, wichen maßlosem Zorn gegen diese Ungerechtigkeit. Eine Frau, die sich auf eine uneigennützige Mission begab, verdiente wahrlich Besseres. Sie stand kurz davor, ihre schlaffen Hände zu Fäusten zu ballen, so wütend war sie.
    Wasser plätscherte in eine Schüssel. Das Geräusch war so normal, dass es zu ihrer schrecklichen Situation nicht passen wollte. Was sollte sie bloß machen? Sie konnte nicht auf ewige Zeiten eine Ohnmacht vortäuschen. Irgendein Geistesblitz musste sich einstellen, und er konnte nicht darin bestehen, ihrem ersten Impuls nachzugeben und zum Angriff überzugehen. So sehr es sie danach verlangte, wild um sich zu schlagen, würde es ihr nicht weiterhelfen.
    „Du hättest sie nach Hause bringen sollen“, meldete sich die Frau nach einer längeren Pause wieder zu Wort.
    „Eine phänomenale Idee“, entgegnete er mit bissigem Zynismus. „Damit sie dort alles ausgeplaudert und die Polizei auf meine Spur geführt hätte.“
    „Das ist doch Unsinn, seit wann hinterlässt du Spuren? Außer in ihrem Gesicht hast du keinerlei Spuren hinterlassen, soweit ich sehe.“
    „Darum kümmere ich mich schon. Ich habe sie nur gestreift. Sie hat nicht einmal einen Zahn verloren.“
    Oh, dieser widerwärtige Kerl! Möglich, dass ihre Zähne nicht locker saßen, doch ihre Schulter tat so weh, dass ihr Arm bestimmt auf ewig lahm bleiben würde.
    „Ah ja, du kümmerst dich also. Na, dann fang am besten gleich damit an.“
    Eine Tür klappte. Jäh stellte sich heraus, dass es Schlimmeres gab als mit Thibaut de Casserolles allein im Salon ihrer Mutter zu sitzen und Konversation zu betreiben. Beispielsweise einem Mann überlassen zu werden, dessen Gesicht sie noch nie gesehen hatte

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