Kuss des Apollo
zusammen tanzen. Aber Odysseus tanzt am besten.«
Wieder eine Weile Schweigen, dann fragte Geraldine freundlich: »Willst du noch einen Nachtisch?«
»Na, ich weiß nicht …«
»Keine Bange, ich habe Geld. Die Rote Grütze schmeckt hier sehr gut. Aber ich esse noch ein Eis. Vielleicht sogar einen Eisbecher. Du hast ja gesagt, man kann die Rippen durch mein Kleid sehen. Das ist nicht gerade sehr vorteilhaft. Aber jetzt möchte ich eine Zigarette.«
Er legte die Schachtel auf den Tisch, hielt ihre Hand fest. »Geri, schau mich mal an. Alles, was ich gesagt habe, stimmt doch. Du musst zugeben, dass ich dich nie wirklich verlassen habe. Ich habe immer das Gefühl gehabt, du gehörst zu mir.«
»Ganz egal, welche Frau gerade dein Leben teilte.«
»Richtig. Und bei keiner der Frauen bin ich geblieben. Ich bin inzwischen neununddreißig. Also einigermaßen erwachsen, nicht? Nimm mal an, ich weiß nun ganz genau, welche Frau zu mir gehört. Und mit welcher Frau ich leben möchte.«
»Soll das vielleicht ein Heiratsantrag sein?«
Er schaute sie verblüfft an. Dann jedoch antwortete er rasch. »Warum nicht?«
Geraldine lachte, zog eine Zigarette aus der Schachtel, er gab ihr Feuer und sagte: »Du hast ja inzwischen auch ein paar Erfahrungen gesammelt. Burckhardt, Challier, Alexander, dieser Odysseus …«
»Odysseus ist leider verheiratet, und seine Penelope wohnt nicht in Ithaka, sondern hier auf Sylt.«
Sebastian schüttelte den Kopf.
»Ich habe nie geahnt, dass du in griechischer Mythologie so gut Bescheid weißt. Wir haben ganz früher schon, in Duisburg, über den Amphitryon gesprochen. Als die die Inszenierung im Programm hatten, die uns nicht gefiel. Weißt du noch?«
»Natürlich weiß ich es.«
»Und als es bei den Dreharbeiten auf Delos so dramatisch wurde, der ganze Krach, diese Szenen mit der Conradi und dann dein ruhiges, überlegenes Eingreifen, da habe ich gewusst, dass ich mit dir arbeiten wollte.«
»Obwohl du dich manchmal über meine Ideen geärgert hast.«
»Stimmt. Ich wollte mir das nicht bieten lassen. Aber ich musste zugeben, damals schon und heute erst recht, du hattest eben gute Ideen. Und überhaupt sehr originelle Einfälle.«
»So.«
»Weißt du, was du einmal zu mir gesagt hast?«
»Was denn?«
»Mich hat Apollo geküsst. Weißt du das nicht mehr?«
»Nein, keine Ahnung.«
»Siehst du, ich habe das nicht vergessen. Eine herrliche Formulierung. So was wäre der Conradi nie eingefallen.«
»Jetzt hast du schon dreimal die Conradi erwähnt, von der möchte ich heute nichts mehr hören. Jetzt esse ich mein Eis, trinke noch einen Espresso, dann hole ich Nelson und mache mit ihm einen kleinen Spaziergang. Einen kleinen nur, ich bin sehr müde. Du doch sicher auch. Du bist weit gefahren und hast jetzt gut gegessen, und du musst dein neues Zimmer heute ausprobieren.«
»Ich wollte gern noch über den Film, den ich mit dir machen möchte, sprechen.«
»Heute nicht mehr. Morgen.«
Sie schloss ihre Zimmertür nicht ab. Er kam nicht. Er traute sich wohl nicht wegen Frau Holm, die noch aufgewesen war, als sie heimkamen. Vielleicht auch nicht wegen Nelson, der lang ausgebreitet vor Geraldines Tür lag. Das hatte er sich angewöhnt, seit Alexander nachts in ihr Zimmer gekommen war.
Vielleicht weiß er auch nicht, was ich denke. Ob ich ihn will oder nicht.
Das überlegte sie noch, dann breitete sie die Arme weit aus und dachte an Frobenius. Der war noch weiter weg von ihr als Ithaka.
Am nächsten Tag war es sehr warm, ganz windstill, und Geraldine beschloss: »Wir gehen schwimmen.«
Sein Wagen stand nun neben dem Haus, kein Mercedes, ein kleiner Renault.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass du je ein Auto besessen hast.«
»Das ist eine kühne Behauptung. Wenn du dich freundlicherweise an jenen Tag erinnern würdest, als wir bei Frobenius zum Essen eingeladen waren, da habe ich dich mit meinem Wagen abgeholt und auch wieder nach Hause gefahren.«
»Stimmt. War es dein Wagen? Oder gehörte er der Sängerin, mit der du damals verbandelt warst?«
Sebastian ersparte sich die Antwort.
Stattdessen berichtete er: »Ich habe mit achtzehn meinen Führerschein gemacht, in Lübeck. Und dann war ich eine Zeit lang der Chauffeur vom Chef meiner Mutter. Weil man dem wegen Promille für einige Zeit den Führerschein entzogen hatte. Bis mir das zu dumm wurde und ich abgehauen bin. Als wir gemeinsam am Theater waren, hatte ich kein Auto.«
»Und in den Jahren dazwischen?«
»Hin und
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