Kuss des Apollo
Wir lieben uns.«
Thomas dachte an das Wort erledigt, das sie im November so bestimmt ausgesprochen hatte.
Aber er wiederholte das Wort nicht. Stattdessen sagte er: »Es war schwierig, dein Verschwinden zu erklären. Frobenius wollte dich mit einigen Leuten bekannt machen. Und du warst plötzlich weg.«
»Bisher war ich immer da.«
»Aber nicht ansprechbar.« Nun klang Ärger in seiner Stimme. Denn er hatte gelogen, was ihm zuwider war. »Ich habe Frobenius zweimal getroffen, ich habe die ersten Drehbücher dieser Serie, in der ich spielen soll, gelesen. Ist wirklich ganz originell. Um zu erklären, wo du bist, musste ich schwindeln.« Er hatte behauptet, Geraldine besuche ihre Mutter in München, denn Tilla habe Geburtstag.
Mit dem Geburtstag, das stimmte sogar. Tilla hatte am 27. März Geburtstag, und wie jedes Jahr rief er sie an und gratulierte. Am 26. März war Geraldine nach Wien geflogen. Also bot es sich an, Geraldines Reise mit Tillas Geburtstag zu erklären. Dass Burckhardt in München lebte, wusste Frobenius. Wenn man vermutete, er und Geraldine hätten sich getroffen, so könnte das zufällig geschehen sein. Falls in der Klatschpresse nicht demnächst zu lesen war, dass Burckhardt und Geraldine sich in Wien getroffen hatten. Bisher war nichts dergleichen aufgetaucht. Er hütete sich davor, sich nach einem Zwischenfall mit der Presse in Wien zu erkundigen.
»Ich stehe Frobenius jederzeit zur Verfügung«, sagte Geraldine kühl. »Ich kann ja wohl mal ein paar Tage verreisen. Und jetzt ist erst mal Ostern, da hat sowieso niemand Zeit.«
»O doch, dein neuester Verehrer, Alexander Frobenius, hat angerufen und gefragt, ob wir Lust hätten, mit ihm über Ostern nach Sylt zu fahren.«
»Und was hast du geantwortet?«
»Mir passe es jetzt schlecht, ich beschäftige mich mit den Drehbüchern. Und meine Tochter besucht ihre Mutter in München, weil sie Geburtstag hat.«
Geraldine lachte. »Du bist fabelhaft. Kein Mensch wird erfahren, wo ich wirklich war. Walter hat seine Termine allein wahrgenommen, ich war entweder im Hotel oder in der Stadt spazieren, mit einer großen Sonnenbrille und einem breiten Hut. Mich hat niemand erkannt.«
»Wollen wir hoffen, dass es dabei bleibt. Und sonst?« Er schwieg, seine Miene offenbarte, wie unzufrieden er war.
Geraldine ging zu ihm, er saß im Sessel, und legte die Arme um seinen Hals.
»Papilein, es hat mir gut getan, bei Walter zu sein.«
Mehr sagte sie nicht, erzählte nur von den Läden, in denen sie eingekauft hatte, mit einem Koffer war sie abgeflogen, mit zwei Koffern war sie zurückgekehrt.
Wie wohltuend es gewesen war, von ihm im Arm gehalten zu werden.
Und sie hatten sich beide sehr vernünftig verhalten. Kein Gespräch mehr über eine Scheidung, kein Gespräch, wie es weitergehen sollte. Ab und zu würden sie sich sehen, ohne weitere Bindung und ohne Verpflichtung.
Noch etwas war geschehen, was Geraldine so froh machte: die Begegnung in der Oper.
In der Pause, sie standen im Foyer und tranken ein Glas Champagner, kam wieder dieser Mann vorbei. Dieser schöne Mann mit dunklem Haar und dunklen Augen. Er sah so aus wie der Spaziergänger im Grunewald.
Diesmal blieb sie ganz ruhig. Sie sah ihn an, er sah sie an.
Er wusste, wo er sie fand. Er würde sie nicht verlassen. Und solange es ihn gab, brauchte sie keine Angst zu haben. Sie würde schön sein, sie würde Erfolg haben, sie würde geliebt werden.
Dies war ein neues Gefühl von Sicherheit. Wo war er eigentlich bisher gewesen? Sie hatte ihn in Venedig nicht gesehen, nicht in Florenz. Oder war sie einfach zu dumm gewesen, ihn zu erkennen? Sie würde nun immer aufpassen, ob er vorüberging.
Sie küsste ihren Vater.
»Wir werden einen erstklassigen Film drehen. Und die heilige Johanna werde ich auch noch spielen. Und bestimmt die Viola oder die Rosalinde. Nicht unbedingt die Ophelia. Und für die Julia bin ich wohl zu alt.«
»So wie du aussiehst, kannst du ohne weiteres die Julia spielen. Man müsste nur einen vernünftigen Regisseur finden.«
»Ich werde mir meinen Regisseur schon zurechtbiegen. Dass er macht, was ich will.«
Sie lächelte triumphierend.
Thomas schüttelte den Kopf. Sie benahm sich merkwürdig. »Und jetzt kommen die Feiertage, da hat sowieso kein Mensch die Zeit, um mit mir ein ernstes Gespräch zu führen.«
Da sollte sie sich täuschen.
Jana und Alexander waren nach Sylt gefahren, und Herbert Frobenius hatte versprochen, dass er spätestens am Ostersonnabend
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