Kuss des Apollo
Leute, die durch das Foyer gingen. War einer dabei, den sie kannte?
»Ich glaube, da kommt schon wieder Presse«, sagte sie nervös.
»Jetzt langt es fürs Erste«, entschied Will. »Wir ziehen auf der Stelle ins Ritz um.«
Frobenius grinste amüsiert.
»Wie hast du das gedeichselt?«
»Tja, wie wohl. Da ist mein Geheimnis.«
»Es ist vermutlich gar kein Geheimnis«, spottete Alexander. »Es hat mit Geld zu tun.«
»Auch. Aber nicht nur. Also entscheide dich.«
Da gab es nicht viel zu entscheiden. Alexander hatte nicht die geringste Lust, bloß hinter Will Loske herzulaufen, von Notre Dame in den Louvre, von der Bastille zum Arc de Triomphe. Was er sich vom Alleinsein mit Geraldine in Paris versprochen hatte, würde sowieso nicht möglich sein.
»Ich fliege mit Vater nach Hause. Gibt ja genug zu tun in nächster Zeit.«
Will Loske war Geraldine ein aufmerksamer Begleiter. Sie lernte die Stadt sehr gut kennen, speiste in den besten Restaurants, und er zeigte ihr auch die stillen Winkel, an denen die Touristenströme vorbeizogen.
Schnell hatten die Journalisten herausgefunden, dass sie sich noch in Paris aufhielt. Nun wollten sie wissen, wer Loske war und in welcher Beziehung er zu Geraldine stand. Aber Will wimmelte liebenswürdig und geschickt jeden Neugierigen ab. Er sprach übrigens nicht französisch mit ihnen, sondern englisch.
Das brachte einen besonders schlauen Reporter auf die Idee, dieser sehr energische Herr könne nur ein Agent aus Hollywood sein. Darauf angesprochen, lächelte Loske.
»May be so«, sagte er lässig.
In Paris, in München und in Berlin beschäftigten sich viele Köpfe mit dem Drehbuch.
Auf den Beruf, den der berühmte Mann ausübte, konnte man sich lange nicht einigen; Schriftsteller, Professor, Archäologe, ein Wissenschaftler, alles wurde angedacht. Sollte er nun lebensfremd sein oder einfach raffiniert? Ein erfahrener Liebhaber oder ein kühler Einzelgänger, dem der Beruf wichtiger war als die Liebe?
Die beste Idee kam schließlich von Thomas: Der Mann, in den sich die berühmte Chansonette verliebte, war ein ebenso berühmter Dirigent klassischer Musik. Auf beiden Seiten also Musik, so erklärte es Thomas, doch ganz verschieden. Allerdings sollten beide Meister ihrer Profession sein.
Raymond Challier war begeistert. Einen Dirigenten hatte er schon immer spielen wollen.
Der Dirigent und die Chansonette lernen sich im Bois de Boulogne kennen, während sie dort ihre Hunde spazieren führen. Keiner weiß, wer der andere ist. Die Hunde spielen zusammen, die Dame und der Herr unterhalten sich und finden Gefallen aneinander. Keiner spricht von einer Verabredung, aber da es sich so ergibt, treffen sie ein zweites und drittes Mal zusammen. Geraldine bekam für diese Szenen Ossi als Partner. Challier brachte seinen belgischen Schäferhund mit.
Die Dreharbeiten begannen im Oktober, weil man für diese Aufnahmen die letzten Sonnentage des Herbstes nutzen wollte.
Will Loske hielt sich, solange Ossi gebraucht wurde, in Paris auf. In den Drehpausen und am Abend umsorgte er Geraldine. Alexander hatte wieder keine Chance. Raymond Challier allerdings auch nicht, denn seine Frau kam täglich an den Set. Er war in dritter Ehe mit einer Amerikanerin verheiratet. Diese Frau war sehr eifersüchtig und beobachtete argwöhnisch die Partnerin ihres Mannes, sie geizte auch nicht mit gehässigen Bemerkungen. Das Team amüsierte sich über diese privaten Querelen. Challier verlor öfter die Nerven, von dieser Frau hatte er bereits genug, und er machte kein Hehl daraus. Geraldine begegnete er mit ausgesuchter Höflichkeit, er war sehr galant und sehr aufmerksam.
Nachdem sie sich einander vorgestellt haben, wird es kompliziert. Beide leben für die Musik, doch es liegt eine Welt zwischen dieser und jener Musik.
Als er nach einem längeren Gastspiel wieder in Paris dirigiert, besucht sie eines seiner Konzerte. Sie ist hingerissen, sie liebt ihn.
Er hingegen steht in dem Cabaret, in dem sie singt, in einer Loge verborgen, er wehrt sich gegen sein Gefühl.
Das Beste war, dass Thomas auch eine kleine Rolle in dem Film bekam. Er war der Inspizient in dem Cabaret, und er muss der Chansonette Lorine, die schrecklich unter Lampenfieber leidet, jedes Mal einen Klaps geben, damit sie auf die Bühne tritt.
Am Schluss kommt dann sogar noch Wagner ins Spiel, es gibt eine Premiere von
Tristan und Isolde
, und Lorine verschwindet nach dem Liebestod aus ihrer Loge und ist nicht mehr aufzufinden und
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