Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Danella
Vom Netzwerk:
kämmte ihr Haar, griff nach dem Lippenstift, das wenigstens konnte sie noch für ihr Aussehen tun. Hätte sie längst tun können. Sie ging über den Flur zum Wohnzimmer, dort stand Sebastian bereits in der Tür.
    »Also, ich gehe jetzt. Wenn ihr nicht mit mir essen gehen wollt, überlasse ich dich deinem Alexander.«
    »Danke, für dein Verständnis«, sie sprach, als stände sie auf einer Bühne. »Wir werden auch nicht ausgehen, wir bleiben hier.«
    »Ach so, na ja, dann wünsche ich viel Vergnügen.« Er nahm ihre Hand, die sie ihm reichte, erwiderte ihr Lächeln nicht, sagte »Bye, bye« in Alexanders Richtung und verließ die Wohnung.
    Alexander wartete, bis Sebastians Schritte auf der Treppe verklungen waren, dann trat er zu Geraldine.
    »Dem hast du’s aber gegeben. Jetzt weiß er Bescheid, dass wir schon längst … na ja, er weiß es jedenfalls besser als ich. Du hast geweint?«
    Er legte beide Hände um ihre Arme, zog sie an sich, genau wie er es getan hatte, als sie im Grunewald spazieren gingen.
    Als er ihr entgegenkam.
    Geraldine blickte gebannt über Alexanders Schulter an die Wand. Eigentlich müsste sie ihn jetzt dort sehen. Er müsste aus der Wand heraustreten.
    Sie schloss die Augen, senkte das Gesicht. Sie war auf dem besten Weg, verrückt zu werden.
    »Was hast du?«, fragte Alexander. »Du weinst ja schon wieder.«
    »Nein, ich weine nicht. Ich bin bloß… weißt du, ich bin so allein. Wenn Vater nicht da ist … Ich benehme mich blödsinnig, ich weiß. Verzeih mir!«
    »Schon gut.« Er küsste sie sanft auf die Wange. »Sag mir bitte, was du willst. Soll ich auch verschwinden? Willst du mit mir ins Bett gehen? Soll ich versuchen, Burckhardt zu erreichen?«
    Nun lachte sie.
    »Vergiss es! Lass uns essen gehen, ich habe Hunger. Seit Vater fort ist, habe ich so gut wie nichts gegessen.«
    »Man merkt es«, sagte er, ließ seine Hände von ihren Armen über ihren Rücken gleiten. »Was glaubst du, würde Will Loske sagen, wenn er dich sähe? Und mit mir würde er auch schimpfen. Übermorgen reisen wir. Willst du fliegen? Mit dem Auto fahren? Oder mit der Bahn?«
    »Mit der Bahn? Mit einem Zug? Das wäre herrlich. Ich bin noch nie in meinem Leben mit dem Zug gefahren.«
    »Das gibt es ja nicht.«
    »Wir waren doch eingemauert in Berlin. Und nach Griechenland sind wir schließlich auch geflogen. Und nach Paris.«
    »Und damals das Engagement im Ruhrgebiet?«
    »Da stand die Mauer noch. Da bin ich auch geflogen.«
    »Na, ist ja prima. Fahren wir mit der Bahn. Das tue ich sowieso sehr gern. Von Berlin nach Hamburg, das ist eine schöne Fahrt, und dann von Hamburg durch Dithmarschen und Nordfriesland, ich kann dir alles zeigen und erklären. Ich kenne dort jeden Ort, jeden Kilometer. Etwa eine Stunde nach Hamburg kommen wir über den Nord-Ostsee-Kanal. Das weißt du aber?«
    »Nein, weiß ich nicht.«
    Er hielt sie immer noch im Arm, küsste sie nun leicht auf den Mund. Und dann küsste er die letzte Träne weg, die auf ihrer Wange lag.
    Sein Herz war erfüllt von Zärtlichkeit. Von Zärtlichkeit und Liebe. Möglicherweise war sie in dieser melancholischen Stimmung leicht zu erobern. Aber das wollte er gar nicht. Sein Gefühl hatte sich gewandelt. Das zum Beispiel hatte Jana nicht begriffen. Es hatte schon in Paris angefangen. Nicht mehr: Ich will sie haben. Sondern: Sie soll bei mir sein und bei mir bleiben.
    »Und später fahren wir über die Eider. Dann sind wir in Nordfriesland. Der Zug hält in Husum, dort gibt es einen Hafen. Weißt du, an wen man denkt, wenn von Husum die Rede ist?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Theodor Storm. Seine graue Stadt am Meer, das ist Husum. Kennst du seine Novellen?«
    Sie schüttelte wieder den Kopf.
    »Die wirst du lesen. Nicht alle, einige. Bei meiner Oma stehen sie im Regal.
Der Schimmelreiter
ist die größte und berühmteste.«
    »Doch«, rief sie eifrig. »Das habe ich schon gehört. Davon hat Vater mal erzählt. Es muss irgendwann verfilmt worden sein.«
    »Es hat schon mehrere Verfilmungen gegeben, aber ich kann mir denken, welche dein Vater meint. Das muss ein ganz toller Film gewesen sein, so in den Dreißigerjahren etwa. Ich werde meinen Vater fragen, ob es ein Video davon gibt, und das werde ich uns besorgen. Ach, Liebling«, er schloss sie fester in die Arme. »Ich werde so froh sein, wenn du in Keitum bist. Du wirst jeden Tag ordentlich essen. Du wirst sehen, meine Oma kocht hervorragend. Und es gibt einige sehr gute Lokale für die Reichen und die

Weitere Kostenlose Bücher