Kuss des Apollo
Schönen, wie der Herr Regisseur es nannte.«
»Und ein Hund ist da?«
»Mit dem gehen wir spazieren. Da müssen wir uns anstrengen. Er ist ein großer Hund und kann sehr schnell laufen.«
»Und wir fahren wirklich mit dem Zug?«
»Aber ja. Und jetzt zieh dir schnell was an. Wir gehen essen.«
»Ich muss mich noch etwas zurechtmachen.«
»Wozu denn? Ich kenne dich schließlich ungeschminkt.«
»Nicht, wenn du mit mir ausgehst. Außerdem sind wir nicht allein im Restaurant. Die anderen Gäste sollen nicht denken, warum geht der nette junge Mann mit so einer Vogelscheuche vor die Tür.«
Er lachte, hob sie hoch und wirbelte sie herum.
»Du bist wirklich ein Fliegengewicht. Das kann nicht so bleiben. Außerdem ist es hier ein wenig eng für solche Übungen.«
»Wir werden eine neue Wohnung beziehen oder ein Haus kaufen. Und am liebsten möchte ich einen Garten haben.«
»Den hast du jetzt erst mal in Keitum. Einen Garten voller Rosen.«
Rosen
Die Rosen blühten nicht nur im Garten von Alexanders Großmama, sie blühten auf der ganzen Insel, in den Straßen der Dörfer, auf der Heide, auf den Wegen gen Osten zum Watt und gen Westen zum Meer.
Geraldine hatte nie geahnt, dass so viele Rosen auf einmal blühen konnten. Allerdings waren sie zu einer glücklichen Zeit auf die Insel gekommen, Anfang Juni. Da bedurfte es keiner pflegenden Hand, die Rosen blühten von selbst.
Geraldine gab sich Alexander gegenüber zurückhaltend.
Sie hatte noch nie eine Urlaubsreise gemacht, und so vertraut ihr Alexander inzwischen auch war, durch die gemeinsame Arbeit, durch seine Fürsorge, war sie doch weit davon entfernt, sich in ihn zu verlieben. Freundschaft war es geworden, und es bangte ihr davor, dass er mehr von ihr erwartete.
Ganz begeistert war sie von der Fahrt mit dem Zug.
»Wir sind eben Mauerkinder«, kommentierte Alexander ihre kindliche Freude an der Fahrt.
Er kannte die Strecke wirklich gut und konnte ihr alles zeigen und erklären. Es war nicht nur die Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal, es waren die Kühe, die Schafe und vor allem die Pferde auf den Weiden, die sie entzückten. »So viele Tiere, so schöne Tiere. Gibt es die auf der Insel auch?«
»Selbstverständlich. Die Pferde kannst du streicheln, und die Kühe auch. Bei Schafen ist das schwieriger, die hopsen weg.«
»Ich möchte am liebsten reiten lernen«, sagte sie auf einmal.
»Langsam, langsam. Das kann ich nicht verantworten. Während mein Vater an deinem nächsten Film bastelt, fällst du vom Pferd und brichst dir die Knochen. Jetzt bekommst du erst mal einen Hund, und die Pferde besuchen wir im Grünhof. Das ist ein Reitstall in Keitum. Ein Schulfreund von mir hat dort sein Pferd stehen. Vielleicht darfst du dich mal draufsetzen.«
»Ein Schulfreund?«, fragte sie erstaunt. »Ich denke, du bist in Berlin in die Schule gegangen?«
»Meistens. Zwei Jahre lang auch auf der Insel. Jana hat immer sehr gestört, dass wir eingemauert waren. Also verfrachtete sie meinen Bruder und mich auf die Insel. Sie war der Meinung, wir müssten wenigstens ein Gefühl für Freiheit und Weite bekommen.«
»Und wie seid ihr da hingekommen?«
»Mit dem Auto. Man konnte schon durch die Zone fahren, immer schön langsam, um nicht aufzufallen.«
In Niebüll zeigte er ihr die wartende Autoschlange.
»Darum lässt Jana den Wagen auf der Insel, da spart sie sich die Verladung und die Warterei.«
Als sie über den Hindenburgdamm fuhren, lieferte er gleich den Bericht dazu, dass der Damm 1927 eröffnet wurde und dass seitdem der Zug und schließlich immer mehr Autos auf die Insel kamen.
»Vorher kam man nur per Schiff nach Sylt. Ich stelle mir das sehr erholsam vor. Es muss wunderbar friedlich auf der Insel gewesen sein, als noch nicht so viele Autos hier herumkurvten.«
»Aber ihr habt doch auch eins.«
»Eben.«
Ein Freund von Alexander erwartete sie mit Janas Wagen am Bahnhof von Westerland.
»Das ist Thomas«, sagte Alexander.
Geraldine reichte Thomas die Hand. Es gefiel ihr, dass es hier auch einen Thomas gab.
»Herzlich willkommen«, sagte Thomas und öffnete die Beifahrertür des Autos. Geraldine stieg ein, und Alexander verstaute ihren Koffer hinten im Wagen.
Viel hatte Geraldine nicht mitgenommen.
»Hosen, Blusen, eine warme Jacke, falls der Wind mal bläst, viel mehr brauchst du nicht.«
»Aber wenn wir mal ausgehen?«
»Reicht das auch. Außerdem gibt es jede Menge Läden in Westerland, und in Keitum besonders feine Boutiquen, da kannst du
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