Kuss des Feuers
sollte nicht um Erklärungen bitten müssen. Und trotzdem tun wir genau das.«
Plötzlich fing er an zu lachen. »Da sitzen wir ja ganz schön in der Patsche.«
»In der Patsche? Ich kenne den Ausdruck nicht. Sagt man das so in Amerika?«
»Ja. Zehn Jahre habe ich dort verbracht, und jetzt ist meine Sprache völlig verunreinigt.«
Sie senkte den Kopf und versuchte, nicht zu lächeln. Sie gingen um eine Ecke und kamen auf die Haupttreppe zu, die in helles Licht getaucht war. Als sie ihm einen Blick zuwarf, merkte sie, dass er sie musterte. »Ich werde nur ein Mal fragen, Archer. Was Sie mir auch sagen mögen, ich werde es glauben.«
Er wurde immer langsamer, bis er schließlich ganz stehen blieb. »Warum?« Seine Stimme war nicht mehr als ein Hauch in der Stille des Gebäudes. »Warum schenken Sie mir Ihr Vertrauen, wo Sie doch ganz genau wissen, wie leicht es zu erschüttern ist?«
»Vielleicht fällt es schwerer, es zu erschüttern, wenn ich es so leicht schenke.«
In dem leisen Laut, den er von sich gab, schwang seine ganze Fassungslosigkeit mit. »Lügen ist ziemlich einfach, schöne Miranda. Das kann ich Ihnen versichern.«
»Wie witzig. Aber das glaube ich bei Ihnen nicht.« Sie drehte sich um, weil sie ihn ansehen wollte, doch leider war sie dadurch nur noch Zentimeter von seiner kräftigen Gestalt entfernt. Sie konnte nicht wieder zurückweichen, weil sie dadurch nur noch mehr auf die Situation aufmerksam gemacht hätte. Deshalb sprach sie weiter, als würde es sie gar nicht berühren. »Sie verbergen vieles, Archer. Aber Sie lügen nicht. Zumindest nicht, wenn man Ihnen eine direkte Frage stellt.«
Seine breite Brust streifte sie, als er sich vorbeugte. »Sie sammeln Informationen über mich, nicht wahr?« Seine Stimme wurde so schmelzend wie warmer Honig, der über ihre Haut strömte und sie erhitzte. »Ein bisschen hier. Ein bisschen da. Schon bald werden Sie alles auf einem Tisch ausbreiten und versuchen, mich wie ein Puzzle zusammenzusetzen.«
Sie achtete nicht auf das Kribbeln in ihrem Bauch und gab sich betont gelassen. »Ich habe erst die Ecken. Aber es ist zumindest ein Anfang.«
Warmer Atem strich über ihren Hals. »Ich glaube, das Stück in der Mitte haben Sie auch.«
Ehe Miranda etwas darauf erwidern konnte, sprach er weiter. »Nein. Ich habe die beiden nicht umgebracht.«
Die Erleichterung, die sie durchströmte, lockerte ihre verkrampften Schultern. Sie wagte es nicht zu lächeln. Noch nicht. »Wenn Sie wüssten, wer es getan hat … würden Sie es mir sagen?«
Dieses Mal hielt Archer sein Lachen nicht zurück. Es klang laut und schrill. »Nicht, wenn ich es verhindern kann.« Wut stieg in ihr auf, als er plötzlich die Hand ausstreckte und sanft an der Locke zog, die an ihrem Hals hinunterhing. »Ich spüre ein Faible für Ärger, das von Ihnen ausgeht. Ich habe nicht vor, das noch zu fördern.«
13
Miranda verdrängte alles Unerfreuliche, was mit den Morden zusammenhing. Sie wollte das Zusammensein mit Archer genießen, und wenn schon nicht um ihretwillen, dann zumindest seinetwegen. Überraschenderweise konnten sie den Tag tatsächlich genießen. Das Museum war riesig und die Sammlungen überwältigend.
Als es spät wurde und die meisten Besucher sich auf den Heimweg machten, steckte Archer einem Museumswärter eine unanständig große Summe Geld zu, damit sie weiter unbehelligt in den oberen Gängen ihre Besichtigungstour fortsetzen konnten. Miranda war froh darüber. Der mit ihrem Ehemann in der Öffentlichkeit verbrachte Tag machte ihr schmerzhaft klar, wie er das Leben wahrnahm. Zärtlichkeit erfüllte sie, als sie erkannte, was ihn dieser Tag draußen kostete.
Sie blieben stehen, um in einer der oberen Galerien griechische Skulpturen zu betrachten. Miranda drehte sich zu ihrem Gemahl, weil sie sich bei ihm bedanken wollte.
»Warum haben Sie mich nicht verlassen?«, kam Archer ihr jedoch zuvor, sodass sie vergaß, was sie hatte sagen wollen.
»Was meinen Sie?« Doch sie wusste, was er meinte. Ihr Hals wurde ganz trocken und eng. Wie konnte sie es ihm sagen, wenn sie es sich selber noch nicht einmal eingestanden hatte?
Sie standen allein in einer kleinen Nische vor einem antiken Fries. Er deutete vage in Richtung der Treppen, von wo die Schritte der anderen Besucher, die das Museum verließen, zu ihnen drangen. »Die denken alle, ich wäre ein Mörder.«
Er fuhr mit einem Finger über die Balustrade neben sich und folgte der Bewegung mit seinem Blick. »Eine morbide
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