Kuss des Feuers
Holztür in die kühle Stille eines verlassenen Backsteingebäudes.
Keuchend versuchte sie sich im Dunkel zu bewegen. Doch ihr Retter hielt sie weiter fest und drückte sie gegen die Wand. Heißer Atem strich über ihr Ohr, als er den Kopf drehte. Zappelnd versuchte sie sich zu befreien, doch es gelang nicht. Eine große Hand legte sich über ihren Mund, der andere Arm hielt sie weiter wie ein Schraubstock.
»Aufhören«, zischte er. »Aufhören, sage ich!«
Sie trat um sich und traf ein Schienbein. Der Mann ächzte, ehe sein Griff noch fester wurde.
»Verdammt, ich habe Ihnen das Leben gerettet.«
Ihr Widerstand wurde schwächer, als die vage vertraute Stimme ihre Panik durchdrang.
»So«, stieß Lord Ian McKinnon schwer atmend hervor, während er die Hand sinken ließ. »Ganz ruhig. Ich will nicht dieselbe Behandlung erfahren wie dieser arme Teufel da draußen. Das kann ich Ihnen sagen.«
Wie immer hatte der Feuerausbruch sie völlig erschöpft. Sie sackte gegen die kalte, feuchte Mauer und holte tief Luft. Es war nasskalt und roch nach Verwesung, doch frei von Rauch. In der Ferne hörte Miranda das Läuten der Glocken der Feuerbrigade. McKinnon wich zurück, ließ sie aber nicht los. Miranda hob den Kopf und sah, dass seine strengen Gesichtszüge sich zu einem Lächeln verzogen hatten.
»Das ist aber mal ein netter Trick, Mädchen.«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Spitze Eckzähne blitzten unter seinem schmalen Schnurrbart auf. »Sie wissen ganz genau, was ich meine. Ich habe alles gesehen.« Er beugte sich vor, bis sich ihrer beider Atem vermischte. »Sogar den Moment, in dem es ausbrach.«
Ihr Magen machte Anstalten sich umzudrehen, aber es gelang ihr, ganz ruhig zu wirken. »Sie haben gesehen, wie ich angegriffen worden bin«, sagte sie, ohne auf das, was er gesagt hatte, einzugehen. »Und haben nichts getan?«
Das sanfte Streicheln seiner Stimme an ihrem Ohr löste Unbehagen bei ihr aus. »Ich habe gesehen, wie Sie sich verteidigt haben. Und ich habe den Blick in Ihren Augen gesehen. Sie hatten keinen Moment lang wirklich Angst.« Er lehnte sich zurück, um ihr in die Augen zu schauen. »Das interessiert mich.«
»Was wollen Sie?«
Er ließ sich Zeit, während er sie musterte. »Was machen Sie hier?«, fragte er nach einer Weile. »Erzählen Sie mir nicht, dass Sie sich gern verkleiden. Das würde ich Ihnen nicht abnehmen.«
Sie versuchte ihn wegzudrücken, aber er rührte sich nicht von der Stelle. Eher schien er es sich sogar noch bequem zu machen und schmiegte sich an sie. Ein Klumpen bildete sich in ihrem Magen. Seine Umarmung hätte etwas Intimes haben können, doch sie ließ sie nur kalt und machte sie zunehmend wütend.
»Lassen Sie mich los.« Wieder versuchte sie, ihn wegzudrücken.
»Erst wenn Sie es mir gesagt haben.«
»Ich bin Ihnen nichts schuldig.«
Er lachte kurz auf, während sie sich ihm wieder zu entwinden versuchte. »Ich habe Ihr Leben gerettet.«
Und das war genau der Grund, warum nicht jene brennende Wut in ihr aufstieg, die sie bei Black Tom gespürt hatte. Doch dies ließ nicht den Wunsch versiegen, ihm eine Ohrfeige zu geben, damit der selbstgefällige Ausdruck von seinem Gesicht verschwand.
McKinnon lachte wieder. »Ach, egal«, murmelte er an ihrem Ohr. »Ich weiß es ohnehin.« Seine Hand tauchte in ihre Hose.
Kreischend bäumte sie sich auf, und die Hitze wallte wieder in ihr auf. Doch plötzlich ließ er von ihr ab und wich eilig zurück.
»Ganz ruhig«, beschwichtigte er sie. »Kühlen Sie wieder ab. Ich habe nur nach dem hier gesucht.«
Er hob die Hand, und im trüben Licht blitzte etwas golden auf. Archers Münze. Innerlich stöhnte sie auf.
McKinnon warf einen Blick darauf und zog dann fragend eine Augenbraue hoch. »Sie versuchen, seinen Namen reinzuwaschen, nicht wahr?« Er lächelte. »Sofern Sie meinen, Archer zu entlasten, wenn Sie hinter die Geheimnisse des
West Moon Clubs
kommen, irren Sie sich.«
Mit einem leisen Keuchen fiel sie gegen die Wand zurück. »Sie kennen den
West Moon Club
?«
Er schnipste die Münze in die Luft und fing sie gekonnt wieder auf. »Mein Vater ist dort Mitglied.« McKinnon warf ihr die Münze zu. »Ich weiß mehr darüber, als mir lieb ist.«
»Werden Sie dann …« Sie hielt inne, und er grinste.
»Es ist nie so einfach, wie man denkt, nicht wahr?«, meinte er.
Die Stille lastete schwer zwischen ihnen, während er ihrem Blick standhielt. »Ich gehe.« Sie wollte sich in Bewegung setzen, doch er trat vor.
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