Kuss des Feuers
gerade erpicht auf Außenstehende, außer sie zahlen. Los. Weiter.«
Sie bogen um eine Ecke und hätten es fast geschafft, sich in Sicherheit zu bringen, als sie in eine Gruppe von Männern liefen. Der zusammengewürfelte Haufen musterte sie mit unterschiedlich stark ausgeprägter Erheiterung und Bosheit.
»So früh willste schon nach Hause, Billy?«, ertönte eine melodische Stimme hinter ihnen.
Billy stieß einen heftigen Fluch aus, während er sich langsam zusammen mit ihr umdrehte.
Die schwarzen Augen des Mannes, den Billy Black Tom genannt hatte, funkelten wie Onyx, als er sie unter buschigen Brauen hervor ansah. Der hohe Zylinder saß schief auf seinem Kopf, und rabenschwarze, fettige Locken quollen unter der Kopfbedeckung hervor. Sie bedeckten seine großen Ohren und reichten bis in den Kragen.
»Ich sollte beleidigt sein, dass du mich nicht vorstellst«, meinte Tom in lockerem Ton.
Billy scharrte mit den Füßen. »Verdammt, Tom, hatte nicht gedacht, dass du dich mit so ’nem Gesindel abgeben willst.«
»Da hast du falsch gedacht, Junge.«
Ein leises Kichern ging durch die Gruppe, als wäre sie eine Einheit.
Mit geradem Rücken und rasendem Herzschlag konnte Miranda nichts anderes tun, als dastehen und warten. Die schwarzen Augen vom Boss wichen nicht einen Moment von ihr.
»Das ist ’n Verwandter von mir aus dem East End«, erklärte Billy mit weißen Lippen. »Ein einfacher Junge, wirklich. Ziemlich schwach in der Birne. Das ist er.«
Eine Augenbraue ging hoch. »Komm mir nicht so, Billy. Willste dich etwa auf unsere Kosten amüsieren? Man muss schon ein Dummkopf sein, um ’nen Kerl nicht von ’ner Schlampe unterscheiden zu können. Auch wenn die Männerklamotten anhat.«
Kräftige Hände rissen sie von Billys Seite weg. Ihr Kopf knallte gegen den eisernen Laternenpfahl, als zwei Ganoven sie dagegen drückten, damit Tom sie in Augenschein nehmen konnte. Der kleine Mann zog seinen Hut und verbeugte sich schwungvoll. »Guten Tag, Schätzchen.«
Resigniert sackte Billys große Gestalt in sich zusammen, als zwei andere Männer ihn packten und festhielten. Der Boss trat näher, und der Geruch nach Gin und ungewaschenem Mann traf sie wie ein Schlag.
»Na, wie heißt du denn, Süße?«
»Meg«, brummelte sie und versuchte so einfach zu klingen, wie Billy sie beschrieben hatte. Es war ein nutzloses Unterfangen. Ein Einfaltspinsel würde nur eine noch leichtere Beute abgeben.
Ein dreckiger Finger strich über ihre Wange, und der lange Nagel kratzte an ihrer Haut, während er sich die feuchten Lippen leckte. »Aber hallo, du bist ja was ganz Feines.« Ein Lächeln, das ihn nur noch furchteinflößender wirken ließ, verzog seine Lippen. »Du stehst hier auf meinem Grund und Boden.« Er trat noch einen Schritt näher, und die Finger der Männer, die sie festhielten, bohrten sich in ihr Fleisch. »Was auf meine Scholle kommt, gehört mir. Und ich nehme mir, was mir gehört.«
Männliche Erregung schwängerte die Luft und war so gegenwärtig, dass es ihr fast den Magen umdrehte. Menschenmassen strömten an ihnen vorüber, aber niemand blickte in ihre Richtung. Keiner war so dumm, das zu tun. Sie schloss die Augen und schluckte, während das Gelächter der Männer den dünnen Schleier aus Dunkelheit durchdrang. Man würde sie vergewaltigen und umbringen, wenn sie nichts tat. Sie zitterte, Übelkeit und Wut stiegen mit gleicher Geschwindigkeit in ihr auf. Aus allen Richtungen kamen Geräusche. Die Straße war voller Menschen. Alles Zeugen. Und Unschuldige.
Ein Daumen strich über ihre Unterlippe. Blut strömte laut dröhnend durch ihre Adern, und mit ihm zog sich das Unwetter zusammen.
Tu es. Ich kann nicht
. Ganz plötzlich sehnte sie sich so heftig nach Archer, dass ihr beinahe Tränen in die Augen stiegen.
Denk nicht an ihn
.
Etwas weiter die Straße hoch war fröhliches Gelächter zu hören. Doch hier … Heißer Atem berührte ihre Wange, so heiß wie die Luft, die sich um sie zusammenzog. »Na, Lust auf ’ne Nummer, Süße?«
Sie spürte eher, dass Billy sich bewegte, denn dass sie es sah. Dann vernahm sie die Geräusche eines Handgemenges. Sie riss die Augen auf und sah, dass man ihrem Freund ein Messer an die Kehle drückte. Seine Augen waren weit aufgerissen, und er zitterte vor Angst.
»Du willst mich angreifen, Billy Finger?«, fragte Tom, ohne den Blick von Miranda zu nehmen. »Willst du mir etwa vorenthalten, was mir gehört?« Der Mann schlug einen lockeren Tonfall an, doch die
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